Die Vernunft mit dem Glauben habe er vermittelt. So wird es jetzt allseits gesagt.
Ein großer Theologe sei er gewesen und intellektuell. So wird es jetzt allseits gesagt.
Gar ein Heiliger sei er gewesen. Und daher auch so zu sprechen. Und das subito. So wird es jetzt gesagt (aber nicht allseits).

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Christen sprechen über ihre Toten und ehren sie, weil sie vom Leben sprechen und es ehren. Zu dem der Tod gehört. Der daher nicht die Negation oder Kontradiktion des Lebens noch des Glaubens ist.
Christen sprechen über ihre Lebenden und ehren sie, weil sie vom Leben sprechen und es ehren. Zu dem das Lebend-Lebendige gehört. Das daher nicht die Negation oder Kontradiktion des Lebens noch des Glaubens ist.

Wer Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Christen sprechen über ihre Toten und ehren sie, weil sie vom Schmerz auch jenes Lebens wissen, dem das Ich-Sterben und Ich-Lassen fremd, Gott aber umso bekannter ist.
In dessen Namen es daher – und nicht mit eigener Stimme – es all das tut und tun zu müssen meint, was es tut.
Eine Stimme und ein Ich daher, die bloße Leerstellen sind, Platzhalter oder Stellvertreter: Sie nennen Gott, wiederholen aber lediglich sich selbst.
Ein Ich, eine Stimme und das Leben als Taschenspielertrick.
In jedem Fall: Kein Ich, das werden könnte. Wo Es war.
In jedem Fall: Ein Ich, das stets zur größeren Ehre Gottes ermahnt. Der sich nicht wehren kann.
Oder auch: Hochmut der Demut.

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Christen sprechen über ihre Toten und ehren sie, weil sie vom Schmerz auch jenes Lebens wissen, dem das Lebend-Lebendige des Lebens fremd ist.
Vor dem es daher warnen muss. Und nicht müde wurde, es zu tun.
Sie sprechen über den Schmerz der Leerstelle. Über den Schmerz dieses Lebens und ihren Schmerz mit diesem Leben.

  • Lehrverbot Halbfas. Zu wenig Glaubenswahrheit, zu viel Symbolhermeneutik.
  • Flucht aus Tübingen. Denn da waren die 68-er (Hans Küng blieb).
  • Lehrverbot Küng: Zu wenig Unfehlbarkeit.
  • Lehrverbot Boff: Zu viel Marxismus.

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Was all jene eint: Ihm zu viel Vernunft. Die dieses nämlich ist: vernünftig und nicht bloß eine patristische Requisite oder Reliquie.
Zu denen alles Patristische und alles andere Lebend-Lebendige wird, das der Vernunft abseits ist, die je ist und je werden wird.
Und der die Vernunft Joseph Ratzingers floh. Sogar und gerade dann, wenn er sie zitierte. Denn da war sie vorher zur Karikatur geworden.
Der gegenüber es tatsächlich keines allzu hellen Lichtes bedarf, um strahlen zu können.
Josef Ratzinger strahlte.

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Die Vernunft Joseph Ratzingers: Eine (nicht allzu helle) Konserve. Also eher dunkel. Fürs Strahlen hats gereicht.
Die Vernunft Joseph Ratzingers: Die mit dem Glauben niemals die Vernunft, also auch nicht die Straßen der Welt vermittelte.
Was es eh nicht geben kann.
Denn wie könnte der Glaube außerhalb der Vernunft oder der Welt stehen.
Was er ja tun können müsste, um (erst noch) mit ihnen vermittelt werden zu können.

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

In der Vernunft der Straßen dieser Welt stattdessen und als sie ist der Glaube.
Also in keiner Vernunft, die jene Joseph Ratzingers sein könnte. Sondern in einer Vernunft, die ihrer Wissenschaft folgt. Sie also kennt. Der Philosophie. Die (nicht zur Karikatur gemacht, sondern) als helles Licht genommen wird.
Auch im Glauben und für ihn. Auch in der Religion und für sie. Auch in der Kirche und für sie: Glaube, Religion und Kirche.
Die alle drei daher mit der Moderne so oft – und bei Joseph Ratzinger: immer – ihre Probleme hatten. Also ihre blinden Flecken. Denen es also an Glauben fehlte.

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Die Moderne: Nicht ist hier vom technisch-ökonomischen Machbarkeits-, Wachstums- und Herrschaftswahn die Rede. Dem auch Joseph Ratzinger (zu Recht) abzuschwören stets aufforderte.
Die Moderne: Die Höhen des Begriffs. Aus denen und als welche die Theologie zu sprechen hätte. Die sie zu sein hätte.
Eine Theologie, die keine bloße Glaubensreflexion ist. Sondern Wissenschaft, Philosophie, Vernunft, Denken, Wort: Theologie sagt Allgemeines und Notwendiges. Und das je Heute. Seit dem 13. Jahrhundert.
Weshalb es Universitäten und Theologische Fakultäten gibt. Die keine Requisite sind noch Reliquie noch Konserve. Aber immer wieder dazu gemacht werden. Oder sich so verhalten.

Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten.

Glaube, Religion und Kirche, die keine Konserven sind (und keine Requisiten noch Reliquien).
Glaube, Religion und Kirche, die die Straße der Welt sind: Die Moderne, die Säkularität.

Mit wem es recht steht, wahrlich, dem ist’s an allen Stätten und unter allen Leuten recht.

Mit wem es aber unrecht steht, für den ist’s an allen Stätten und unter allen Leuten unrecht.

Wer aber recht daran ist, der hat Gott in Wahrheit bei sich; wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebensogut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der [Kloster-]Zelle; wenn anders er ihn recht und nur ihn hat, so kann einen solchen Menschen niemand behindern.

Warum?

Weil er einzig Gott hat und es nur auf Gott absieht und alle Dinge ihm lauter Gott werden.

Meister Eckhard (ca. 1260 – 1328),
Dominikanermönch

Professor der Philosophie und Theologie
Universität Paris; Dominikanerschule Köln
Traktat: Reden der Unterweisung, 6: Von der Abgeschiedenheit, in:
Deutsche Predigten und Traktate. Herausgegeben und übersetzt von Josef Quinn, Zürich (Diogenes), 58f.