Die im Unversalienstreit gegenständliche sprachphilosophisch-ontologische Auseinandersetzung ist untrennbar verbunden mit der zwischen dem frühen 12. und dem 14. Jahrhundert Raum greifenden Adaption von zahlreichen Aristotelischen Schriften zur Logik und Wissenschaftstheorie, die bis dahin im Westen unbekannt gewesen waren. Sie setzten sich sukzessiv in Geltung als Neue Logik (‚logica nova‘). Diese war besonders an der „Zweiten Analytik“ des Aristoteles ausgerichtet und löste nach und nach jene methodische und argumentationslogische Leitdisziplin ab, die im vormaligen Bildungsbetrieb der Kloster- und Bischofsschulen als ‚logica vetus‘ installiert war. Sukzessiv wurde dem als Wissenschaft agierenden Tun auch aufgrund dieser aristotelischen methodischen Neuausrichtung des Bildungsbetriebs eine neue Selbstverpflichtung maßstäblich: In all ihren inhaltlichen, begrifflichen und logischen Belangen muss wissenschaftliches Tun in expliziter methodischer Rechtfertigung und entlang der logica nova erfolgen. Jene, die diesen Wissenschaftsmaßstab akzeptierten, konnten einer Berufung auf die vormaligen Autoritäten, also auf religiöse und/oder biblische Erst- und Gründungsschriften, nicht mehr zustimmen. Ihnen war die Wissenschaftspraxis zur methodisch-schrittweisen (dialektischen) Entwicklung des Wahrheitswerts von Aussagen geworden. Zumindest aber waren sie angehalten, eine Aussage methodisch zu rechtfertigen, sobald ihr Wahrheitswert bezweifelt wurde. Aufgrund dieses allumfassenden Anspruchs und der Neuartigkeit der durch die ‚logica nova‘ ergehenden Regeln stellten sich der philosophisch-theologischen und jeder wissenschaftlichen Textproduktion neue Aufgaben. Vor allem galt es, auf die Frage nach der Bedeutungs- und Verifikationsinstanz sprachlicher Ausdrücke eine neue, nicht-platonische Antwort zu geben.

Diese Frage und die einander widersprechenden Antworten auf sie sind in ihrer Gesamtheit der heutigen Philosophie- und Wissenschaftsgeschichtsschreibung vertraut als Universalienstreit. Es war dies ein Streit, als dessen zwei Protagonisten aus dem Bereich der theologischen Wissenschaftstheorie einerseits Thomas von Aquin andererseits Johannes Duns Scotus vorgestellt werden können. Und es war dies ein Streit, der nicht nur zu einer Neuausrichtung des Wissenschaftsbetriebs führte, sondern vor allem ein neuartiges, ein individualistisches Verständnis des Menschseins eröffnete. Denn im Zuge des Universalienstreits wurde evident, dass der Mensch ein Individuum ist, dem, so die Weiterentwicklung dieses Ansatzes bei Giovanni Pico della Mirandola, unveräußerliche und spezifische Rechte, Pflichten und Möglichkeiten zukommen. Der Mensch hat Würde. Ein neues Selbstverständnis des Menschen, erwachsen aus einem neuen Verständnis der Geltungsmaßstäbe und Wahrheitskriterien des Sprechens und Denkens. Eine umfassende Neuausrichtung, die zugleich ein neues Verständnis sowohl menschlichen Handelns – eine neue Handlungstheorie – als auch menschlichen Sollens – eine neue Ethik – mit sich führte. Ein Neues, das mit dem Alten brach und sich abzugrenzen wusste vom Vergangenen. Fürwahr: Eine neue Zeit. Die Neuzeit.

1      Einführung in den Universalienstreit

Vor der ca. 1120 einsetzenden Rezeption von in Europa bis dahin unbekannten logischen Schriften des Aristoteles hielt sich die mittelalterliche Logik an einen Kanon von Regeln, der aus den lateinischen Übersetzungen der Aristotelischen „Kategorien“ und „Hermeneutik“, aus der „Einleitung in die Kategorien“ des Porphyrios und aus den logischen Traktaten des Boethius bestand. Dieser Kanon wurde dann seit dem Ende des 12. Jahrhundert nur mehr als alte Logik (‚logica vetus‘) bezeichnet, in Abgrenzung von der nun neu installierten neuen Logik (‚logica nova‘).

Als diese gelten die insgesamt als „Organon“ subsumierten Aristotelischen Schriften zur Logik und Wissenschaftstheorie, also „Erste Analytik“, „Zweite Analytik“, „Topik“ und „‚Sophistische Widerlegungen“. Zusammen mit diesen wurden die bereits bekannten philosophischen Fundamentalschriften des Aristoteles („De anima“, „Physik“, „Nikomachische Ethik“ und „Metaphysik“) sukzessiv zu integralen Momenten der von nun an maßstäblichen wissenschaftlichen Praxis erhoben, hierin dann philosophie-systematisch abgelöst erst von Galileo Galilei und Rene Descartes. Wissenschaftliches Handeln besteht im Rahmen der ‚logica nova‘ nicht darin, Faktenwissen über einen bestimmten Gegenstand zu sammeln und dann über ihn Aussagen zu machen, die sich passgenau in vorgegebene Weltanschauungen oder (religiöse) Glaubensaussagen einbinden. Vielmehr ist ein Satz wissenschaftlich dann und nur dann, wenn er ein Allgemeines und Notwendiges über diesen Gegenstand zu erkennen (zu verstehen) gibt: Wissenschaft führt die sinnlich-empirischen Sachverhalte zurück auf allgemeine Prinzipien. Diese müssen ihrerseits von höherrangigen Prinzipien abgeleitet und entsprechend dieser höherrangigen Prinzipien geordnet, sie müssen letztlich also in einem einzigen allgemein(st)en Prinzip begründet sein bzw. auf dieses zurückgeführt und entsprechend seiner geordnet werden können. Wissenschaft ist die Kenntnis dieser höchsten und allgemeinsten, der prinzipiellen Beweisgründe. Und sie ist die Kenntnis von dem, was aus diesen Beweisgründen abgeleitet werden kann.

1.1 Kann Theologie eine Wissenschaft sein?

In der Frage allerdings, ob Theologie überhaupt eine aristotelische Wissenschaft ist, schieden sich die Geister. Denn wie soll menschliches Denken Gott als ein Allgemeines und Notwendiges erkennen oder ihn als ein Allgemein-Notwendiges aus einem übergeordneten Prinzip ableiten, ihn in seinem Wesen erkennen können? Ein allgemeines Erkenntnisprinzip kann nicht höherrangiger und allgemeiner sein als Gott hochrangig und allgemein ist. Gott kann aber auch nicht selbst dieses erkannte Allgemeine, das Prinzip einer Wissenschaft sein. Denn ein solches Wissen von ihm als seinem allgemeinsten Prinzip (als seinem ersten Subjekt) ließe das menschliche Wissen identisch sein mit dem Gedanken/Wissen Gottes von sich selbst. Menschliches Wissen wäre göttliches Allwissen.

Es boten sich jedoch zwei Auswege an:

Thomas von Aquin: Man praktiziert Theologie zwar als (aristotelische) Wissenschaft, jedoch als besondere Wissenschaft: Die Prinzipien und das oberste Prinzip dieser Wissenschaft werden ausschließlich von Gott (und den Seligen) erkannt, während Theologen nur die Schlussfolgerungen aus diesen Prinzipien erkennen und zum Gegenstand ihrer Wissenschaft machen. Theologie erkennt also nicht ihre allgemeinsten Prinzipien (nicht ihr erstes Subjekt), sondern nur die Schlussfolgerungen aus diesen Prinzipien (aus dem ersten Subjekt). Thomas von Aquin praktizierte Theologie nicht als normale Wissenschaft, sondern als höchste Wissenschaft, eben als eine Wissenschaft, die von allen anderen Wissenschaften verschieden ist, indem sie ihre obersten Prinzipien durch göttliche Offenbarung und menschlichen Glauben geschenkt bekommt, sich dann aber in ihrem weiteren Fortgang streng an die aristotelischen Wissenschaftsprinzipien und methodischen Vorgaben hält.

Wilhelm von Ockham: Man verzichtet darauf, die Theologie eine (aristotelische) Wissenschaft sein zu lassen.  In diesem Fall zielt sie weder auf ein allgemeinstes Prinzip noch erhält sie dieses durch göttliche Offenbarung und menschlichen Glauben. So zB Wilhelm von Ockham. Theologie könne und solle lediglich der vom Willen – nämlich der vom Glaubenswillen – geleiteten und insofern vor-rationalen Zustimmung zum Geglaubten unterstützend zur Seite stehen. Theologie zu betreiben meint, dem Glauben zu helfen. Und dieser Glaube bedarf nicht der Zustimmung des (deduktiven) Erkennens, sondern des (liebenden) Willens.

1.2     Logica nova und universitäre Bildung

Mit der wissenschaftstheoretischen Option der ‚logica nova‘ gingen weitere Änderungen einher. Diese betrafen vor allem die institutionelle Neuordnung des Bildungs- und Forschungsbetriebs. An die Stelle des Bildungskanons der ‚artes liberales‘, angesiedelt in den Kloster- und Bischofs- bzw. Stadtschulen, trat die Forschung der Universitäten. Einst, im christianisierten spätantiken und frühmittelalterlichen Abendland, war wissenschaftliches Tun dem Verdacht ausgesetzt, heidnisches Tun zu sein. Daher hatte sich eine nicht nur glaubensgebundene, sondern selbstständige geistige Tradition nur langsam ausbilden können. Vorsichtig in den Klosterschulen beginnend, blieb sie jedoch stets dem Horizont christlichen Glaubens eingebettet, die Menschen zur ewig-jenseitigen, glückseligmachenden Schau Gottes zu führen. Dieses hatte kraft der Kirchlichkeit des christlichen Lebens zu geschehen. Der in den Klosterschulen angebotene Ausbildungsweg der freien Künste (‚artes liberales‘) umfasste dabei als Unterstufe das (wortgebundene) ‚Trivium‘, mithin Grammatik (das Lesen und Schreiben in lateinischer Sprache), Rhetorik (die Abfassung von Briefen, Urkunden und Verträgen) und Dialektik (die freie Rede). Sodann umfasste es als Oberstufe das (zahlbezogene) ‚Quadrivium‘, mithin Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musiktheorie.

Im Zuge der Etablierung der ‚logica nova‘ entstanden zu Beginn des 13. Jahrhunderts universitäre Bildungsinstitutionen. An ihnen sollte die bisherige Bildungspraxis aufgegeben, zumindest relativiert werden. Denn universitär agierte kein (am kirchlichen Glauben ausgelegtes) Bildungs-, sondern das (an der logica nova ausgelegte) Forschungsprogramm. Nach und nach wurden in verschiedenen europäischen Städten Universitäten gegründet. Sie umfassten vier Fakultäten: Die untere Fakultät/Artistenfakultät hatte den gesamten Lehrstoff der ehemaligen ‚artes liberales‘ zu vermitteln. Sie agierte als verpflichtend-propädeutische Basis des Studiums an den drei oberen Fakultäten, die ihrerseits hierarchisch geordnet waren, von unten nach oben in die medizinische, juristische und theologische Fakultät. Exakt-methodisch-wissenschaftliche Werke der griechischen, arabischen, syrischen und hebräischen (also heidnischen) Traditionen waren vereinzelt schon ab dem 10. Jahrhundert übersetzt und der lateinsprachigen westlichen Welt zugänglich gemacht worden. Systematisch und umfassend aber griff diese Rezeption erst ab dem frühen 12. Jh. an den Stadt- und Bischofsschulen Raum, sodann, ab Mitte des 13. Jahrhunderts, an den Artistenfakultäten der neuen Universitäten.

Die Regeln der Universitätstheologie unterschieden sich gravierend von jenen der Glaubensreflexion an den mittelalterlichen Kloster- und Bischofsschulen. Denn statt die biblischen und dogmatischen Texte lediglich in einer ‚lectio‘ darzustellen, galten im universitären Kontext die mit der ‚logica nova‘ gesetzten Maßstäbe lehrend-forschender Tätigkeit. Schon im unmittelbaren Vorfeld europäischer Universitätsgründungen, in jedem Fall aber mit Anselm von Canterbury (1033-1109) und dann, universitär ausgerichtet, mit Albert dem Großen (1200-1280) und Thomas von Aquin (1225-1274), war die alte mönchstheologische ‚lectio‘ transformiert worden zur Methode der ‚quaestio‘. Und sie war erweitert worden zu der dieser Methode angemessenen Unterrichts- bzw. Vorlesungsform, zur ‚disputatio’.

Das gleichlautende Schema aller Quaestionen bestand im Aufwerfen einer Frage („Utrum…?“), im anschließenden Nennen der vom Autor als zustimmungsfähig („Videtur quod…!“) und der von ihm als nicht zustimmungsfähig beurteilten Ansichten hierzu („Sed contra est…!“) und schließlich in der Lösung und abschließenden Beantwortung der Frage durch den Kommentator („Respondeo…“). Diese musste dann noch gegen widersprechende Auskünfte anderer Kommentatoren verteidigt werden. Die Methode des sic-et-non, die dereinst noch, etwa von Petrus Abaelardus (1079-1142), der Interpretation der Vätersentenzen vorbehalten war, wurde so in den Quaestionen ausgeweitet zu methodisch-wissenschaftlicher Forschung. Argumentiert wurde jetzt im Verzicht auf vorausgesetzte Glaubenssätze. Die bisherige Glaubensreflexion, tradierte Texte der Autoritäten lediglich zu erläutern, war abgelöst von der vernunftgeleitet-methodischen Bewältigung von Sachproblemen. Erst dies ist im eigentlichen und auch noch heutigen Sinn Theologie: Ein methodisch geleitetes Verfahren, wahre Urteile/Sätze über Allgemeines und Notwendiges zu bilden. In ihm unterliegt auch dasjenige dem reflektierenden (methodischen) Zweifel, was als Glaubenswahrheit unzweifelhaft wahr ist, zB die Existenz Gottes oder die Geistigkeit/Unsterblichkeit der menschlichen Seele.

1.3     Zwischen Realismus und Nominalismus

Als Universalienstreit waren im Zuge der europäischen Universitätsgründungen vor allem sprachphilosophische, in späterer Folge erkenntnis- und urteilstheoretische Fragen gegenständlich. Deren Beantwortung sollte dem neuzeitlichen Denken maßstäblich werden, und zwar in Ausbildung einer spezifischen Wissenschaftspraxis und einer spezifischen Weise, vom Menschen zu sprechen. Zur Debatte stand, ob bzw. was in sprachlichen Ausdrücken, die nicht als Eigennamen verwendet, sondern im Rahmen eines Aussagesatzes als Begriff (‚conceptus‘) / Allgemeinausdruck (‚universale‘) dem Eigennamen irgendeines Seienden als Prädikat zugesprochen werden („Sokrates ist ein Mensch“; „Dieses ist eine Rose“), irgendetwas Real-Allgemeinem an diesem Seienden selbst entspricht. Ihm nämlich so entspricht, dass dieses Real-Allgemeine Verifikationsinstanz des je prädizierten (zugesprochenen) sprachlichen Ausdrucks/Begriffs wäre, mithin zu begründen vermöchte, dass der jeweilige Allgemein- bzw. Begriffsausdruck dem prädizierten Einzelseienden zurecht (‚wahr‘) zugesprochen wird. Gefragt wurde also nach dem ontologischen Status der Allgemeinbegriffe, wie sie im Anschluss an Porphyrios (232/233-304) in der Definition eines Seienden ausgesagt werden, durch Angabe nämlich von Art und Gattung: Gibt es ein (irgendwie) existierendes Real-Ideal-Allgemeines, das dem prädizierten Begrifflich-Allgemeinen (Mensch, Rose) entspricht? Und ist dieses Real-Ideal-Allgemeine die Referenzquelle und Bedeutung des prädizierten allgemeinen Sprachzeichens, des Begriffs? In der Beantwortung dieser Fragen tat sich im Universalienstreit eine (nahezu unversöhnliche) Kluft auf zwischen den Realisten – also Platonikern und, wenn auch von diesen abweichend, Aristotelikern und Thomisten – und den (konzeptualistischen oder rationalistischen) Nominalisten (die sich beide auch auf Aristoteles beriefen). Diese Zerklüftung sollte bis zu Neuzeit andauern, letztlich ist sie wohl auch heute noch virulent.

Für die Realisten war das prädizierte Sprachlich-Begrifflich-Allgemeine identisch mit dem Wesen (‚essentia‘) des einzeln-gegenständlichen Seienden, also mit dessen Form (‚forma‘): Sprachliche Ausdrücke, die in einem Aussagesatz von einem Einzelseienden, das per Eigenname (‚Sokrates‘) oder per Kennzeichnung (‚Dieser‘) angeführt wird, etwas aussagen – nämlich etwas aussagen, das zu dessen Wesen (‚essentia‘) gehört, also zB das Sterblichsein (‚ist sterblich‘) im Aussagesatz „Sokrates ist sterblich“ / „Dieser ist sterblich –, sind real-identisch mit dieser Wesensbestimmung. Sprachliches bzw. Begrifflich-Allgemeines ist an ihm selbst real-sachlich. Es existiert zwar nicht als Einzelseiendes, jedoch ist es tatsächlich real, und zwar in einem Einzelseienden, als dessen (substantielle) Form. Daher auch kann es als dessen Eigenschaft ausgesagt werden, denn es ist von ihm nur formal unterschieden und kann, durch Abstraktion, erkannt werden. Entsprechend hatte der Platonismus mit der ‚idea‘ eines Seienden eine eigene Art von Realität behauptet. Und Aristoteles hatte von der Substanz eines Seienden gesprochen.
Die Realisten des Hoch- und Spätmittelalters argumentierten so vor allem in Anlehnung an Aristoteles. Besonders aber hielten sie sich an die Aristoteles-Lektüre des Thomas von Aquin und besonders an eine Festlegung aus dessen berühmter „Summa theologica“: „Nach Aristoteles sind die Worte (‚voces‘) Zeichen (‚signa‘) für die Begriffe (‚intellectuum‘) und die Begriffe Abbilder (‚similitudines‘) der Dinge. Also dienen die Worte zum Ausdruck für die Dinge (‚res‘), und zwar auf dem Weg über die Begriffe (‚conceptione intellectus‘). Soweit wir also etwas begrifflich zu erfassen vermögen, können wir es benennen“ (Thomas von Aquin, S.th. I 13, 1).

Bei den Nominalisten hingegen korrespondierte dem prädizierten Sprachlich-Begrifflich-Allgemeinen kein Wesen (keine ‚essentia‘/‘substantia‘/‚idea‘), das vom konkreten Seienden formal oder gar real unterschieden wäre bzw. das in einem Abstraktionsverfahren getrennt werden könnte von ihm. Vielmehr resultierten den Nominalisten die prädikativ verwendeten sprachlichen Ausdrücke bzw. das Begrifflich-Allgemeine (die Universalien) aus dem vom Sinnenbild, Einzelding und Namen abstrahierenden menschlichen Erkennen, sie waren ihnen Resultate der erschaffenden, der schöpferischen Tätigkeit abstrahierender menschlicher Vernunft und keine (real oder formal) eigenständigen Substanzen: „Es kann mit Evidenz ausgewiesen werden, dass kein Universale eine extramentale Substanz ist“ (W. v. Ockham, Summa Logicae I,15 [2], S. 67).
Hierin war sich der rationalistische Nominalismus, dem das Begrifflich-Allgemeine bloß etwas rein Sprachliches (‚vox‘/‚flatus‘/‚vocis‘/‚nomen‘) war, einig mit dem konzeptualistischen Nominalismus, dem das Begrifflich-Allgemeine (immerhin) etwas Gedankliches (‚conceptus‘) war. Beide sprachen den prädizierten Allgemeinausdrücken keinen Zeichenwert zu, dessen Referenz/Bedeutung in irgendeiner Weise eine zeichen- bzw. sprachvorgängige oder -unabhängige Entität wäre. Allgemeinausdrücke (universalia) sind ‚post rem‘, nicht ‚ante rem’. Unter Voraussetzung eines solchen nominalistischen Verständnisses vertreten sie also keine sprachunabhängig-gegenständliche oder gar essentialistisch-substantiell gefasste Wirklichkeit. Die Nominalisten lehnten eine dyadische Sprach- /Bedeutungstheorie ab, wie sie von Augustinus formuliert und vorausgesetzt worden war: „Wenn die Menschen eine Sache nannten […], so sah ich und behielt ich, dass durch diese ihre Laute jene Sache von ihnen bezeichnet werde“ (Augustinus, Conf. I, 8).
Im Nominalismus entsprach nicht jedem Wort ein Gegenstand, hatte nicht jedes Wort eine ihm zugeordnete Bedeutung, die dann der Gegenstand wäre, für den das Wort stünde. Sprachliche Ausdrücke haben im Rahmen nominalistischen Denkens keinen eindeutigen Zeichenwert und es kann über den Wahrheitswert eines Satzes nicht entschieden werden, indem im Sinne etwa einer Korrespondenztheorie der Wahrheit unterstellt wird, eine Sache (‚res‘) könnte mit dem sprachlichen Allgemeinausdruck bzw. mit dem Wort (‚intellectus‘), dessen Bedeutung sie wäre, übereinstimmen und es läge an dieser Übereinstimmung, dass der Satz wahr ist.

In der Frage aber, ob bzw. in welchem Ausmaß derartige sprachphilosophische und logische Unterscheidungen überhaupt für das auf den christlichen Glauben reflektierende Denken maßgeblich sind bzw. maßgeblich sein dürfen, ist der „Mittelkurs“ von besonderem Interesse, den Pierre (Petrus) Abaelard(us) (1079-1142) zwischen Rationalismus und traditionalistisch-mönchstheologischem Fideismus steuerte. Von ihm wird die nachfolgende (hoch-)scholastische Philosophie und Theologie des 12., 13. und 14. Jahrhunderts in ihren Sentenzenwerken und Summen nicht nur die Methode des sic-et-non zur Auflösung von einander widerstreitenden Lehrsätzen übernehmen. Vielmehr war er auch wirkmächtig in der strittigen Frage nach dem ontologischen Status von Allgemeinbegriffen, nämlich ein Wegbereiter hin zu jenem gemäßigten Realismus, der dann für die thomanisch-thomistische Scholastik so typisch werden sollte. Er war innerhalb der seit dem 12. Jahhrundert charakteristischen (und die Verwendung des Ausdrucks ‚Scholastik‘ normierenden) Verwissenschaftlichung allen Wissens führend im Bemühen, Philosophie mit Dialektik (Logik) zu identifizieren, die Philosophie also vor allem als formale Prüfung von Argumenten agieren zu lassen. Jedoch betrieb er Logik noch als ‚logica vetus‘, nicht also im Rahmen der Unterscheidungen und Methoden, die mit der Logik-Einleitung des Porphyrios, mit den „Kategorien“ und der „Hermeneutik“ von Aristoteles und mit den logischen Traktaten von Boethius zur Verfügung standen. Dies wird später die Scholastik nicht tun, sie wird der Neuen Logik (‚logica nova‘) bzw. dem Aristotelischen Organon folgen.

In der Frage nach dem ontologischen Status von Allgemeinbegriffen argumentierte Abaelardus anlässlich einer Auseinandersetzung mit seinem Lehrer, Wilhelm von Champeaux (ca. 1070-1121). Er tat dies sowohl gegen dessen Begriffsrealismus als auch gegen den rationalistischen Nominalismus eines weiteren seiner Lehrer, Roscelinius (1050-1120). Diesem galt das Allgemeine nur als Lautgebilde (‚flatus vocis‘). Abaelardus vertrat eine konzeptualistische Auffassung, Begrifflich-Allgemeines war ihm etwas (rein) Gedankliches. Die semantische Frage, ob ‚sprachliche Ausdrücke für Universalien‘ (ob ‚Begriffe‘) eine Bedeutung haben, wurde von ihm bejaht, und in diesem Sinne gibt es Universalien. Die ontologische Frage aber, ob die Prädikate in einem Aussagesatz allgemeine Namen sind eines real-idealen Allgemeinen (zB der platonischen Ideen oder der aristotelischen ‚essentia‘/‚forma‘/‘substantia‘ [Wesen/Form/Substanz] eines Seienden), wurde von ihm verneint, in diesem Sinne gibt es keine Universalien. Die Universalien waren ihm somit ontologisch nicht nur Lautgebilde (wie es der rationalistische Nominalismus behauptete), sondern eine aufgrund Übereinkunft bedeutungstragende und daher sinnvolle Rede.

Abaelardus wollte zentrale religiöse Wahrheiten retten, die er durch den rationalistischen Nominalismus bedroht sah. Denn inakzeptabel war ihm die Konsequenz, die dieser für die Trinitätstheologie hätte. Sollte nämlich der sprachliche Ausdruck (der Name) ‚Gott‘ so, wie er im christlichen Glauben auf alle drei (göttlichen) Personen angewendet wird – also die Rede von Gott-Vater, Gott-Sohn, Gott-Heiliger-Geist – etwas bloß Sprachliches sein und keine reale Gemeinsamkeit eben dieser drei Personen supponieren, würde ‚Gott‘ keine reale Gemeinsamkeit und Einheit dieser drei Personen anzeigen, womit, so Abaelardus, das Christentum tritheistisch wäre: Ein Verdacht, den die (griechisch sprechende) Ostkirche schon immer gegen die (lateinsprachige) Westkirche gehegt hatte. Abaelardus lehnte den rationalistischen Nominalismus ab, um den christlichen Monotheismus nicht durch sprachphilosophische Festlegungen der vernünftigen Zustimmungsfähigkeit zu berauben.

Thomas von Aquin und die Hochscholastik des 13. und 14. Jahrhunderts werden dann in Rezeption der Aristotelischen Schriften an die Stelle der von Abaelardus behaupteten semantischen Übereinkunft etwas anderes setzen, nämlich ein in jedem Erkenntnisakt erhobenes (abstrahiertes) Allgemeines. Dieses würde erkannt werden als Form des Realen: Das Allgemeine (die Universalie) ist nicht als idealer Gegenstand real, sondern (nur, aber immerhin) als Form konkreter Einzeldinge, ausschließlich an diesen und immer in Verbindung mit einer ‚materia (prima)‘ bzw. mit einem Stoff (‚hỳle‘) vorkommend. Beide zusammen konstituierten das konkrete Einzelding. Der Nominalismus sollte dann zur Abkehr vom mittelalterlichen Ordo-Denken und zur Vorbereitung neuzeitlichen Subjektdenkens führen. Diese Entwicklung war auch von der als ‚logica nova‘ ergehenden Wissenschaftstheorie und von der Priorisierung des Individuellen getragen, wie sie bei Scotus in der Rede von der ‚haecceitas‘ und wie sie bei Ockham in der Würdigung des Singularen als des allein Wirklichen erging.

In dem Maße, als dass die im Universalienstreit verorteten wissenschaftstheoretischen, individuumszentrierten und nominalistischen Hinterfragungen auf Zustimmung stießen, war klar: Der Philosophie würde es nicht mehr möglich sein, über Wirkliches oder (metaphysisch) über die Gesamtheit der Wirklichkeit zu sprechen. Denn derartige Aussagen hätten dann als Produkte lediglich der abstrahierend tätigen menschlichen Vernunft zu gelten, würden also – so zumindest im rationalistischen Nominalismus – keinen Sachgrund bzw. kein Fundament mehr in einer Wirklichkeit haben, die unabhängig wäre von Vernunft- und Sprachgebrauch. Sie hätten kein (ontologisches oder semantisches) Fundament mehr in einer Wirklichkeit, die mehr und anderes wäre als das Resultat der Vernunft- und Sprachpraxis als solcher. Und umgekehrt: Die philosophisch ausgesagte Wirklichkeit ist unter rationalistisch-nominalistischem oder neuzeitlichem Vorzeichen eine Wirklichkeit ausschließlich der Vernunft bzw. des (sprechenden) Subjekts.

Dies zumindest ist eine der Konsequenzen, die sich der von Descartes ausgehenden neuzeitlichen Philosophie ergeben sollten. Das aber bedeutet, positiv formuliert: Der neuzeitlichen Philosophie wird die Vernunft/Subjektivität selbst und als solche zum Einheits-, Struktur- und Inhaltsprinzip aller überhaupt nur denkbaren und sagbaren Wirklichkeit, zum Prinzip und Grund der Philosophie. In dieser Weise ganz konsequent (und das neuzeitliche Denken gleichsam initiierend) war dies bereits bei Wilhelm von Ockham der Fall. An die Stelle des aristotelischen wissenschaftsmethodischen Programms einer Abstraktion – einer Rückführung von Aussagen über Tatsachen bzw. wahre Sachverhalte auf erste, auf notwendige Prinzipien und allgemeinste Begriffe (aus denen besagte Aussagen dann abgeleitet/geschlussfolgert werden können) – setzte Ockham die Methode des Entwerfens, der Konstruktion bzw. Fiktion (‚fictio‘, ‚fingere‘). In der traditionell-aristotelischen Abstraktion wurde das Sinnliche und Nicht-Notwendige dem Allgemeinen und Notwendigen, dem Geistigen und Prinzipiellen unterstellt, darin ausgehend von einem der Vernunft seinsmäßig vorausgehenden real-idealen Wirklichen, von einem ‚ens‘ (‚esse/‚essentia‘). Hingegen erschafft die Vernunft in der zB von Ockham praktizierten und als ‚konstruktive Abstraktion‘ ergehenden Wissenschaftsmethodik etwas Eigenständiges, etwas Neues, etwas nicht schon (irgendwie) Vorhandenes. Hier wird das Allgemeine nicht mehr durch die abstrahierende Tätigkeit erkennender Vernunft ans Licht gehoben, sondern es entsteht überhaupt erst durch die Arbeit der Vernunft und als deren einziges Resultat: Es entsteht ‚durch eine Abstraktion, die nichts anderes als eine Fiktion ist‘.

Das philosophische Denken wird im Nachgang des Nominalismus jeglicher Unmittelbarkeit des Erkennens verlustig gehen. Es wird sich in der Neuzeit nur mehr im unvorgänglichen, im apriorischen Mittun der Vernunft aktualisieren können. Nur mehr hierin, nur als Apriorisch-Vernünftiges wird sich Wirklichkeit noch zeigen können. Ausschließlich diese, ausschließlich Vernunft und Sprache werden der Philosophie dann noch das Sich-Zeigen der Wirklichkeit an ihr selbst sein. Es kündigte sich so im mittelalterlichen Nominalismus bereits das an, was nachfolgende Philosophiegeschichtsschreibung als ‚cartesianische Wende der Philosophie zur Selbstbewusstseinsphilosophie‘ benennen wird. Es kündigte sich in ihr bereits an die Kant’sche Kopernikanische Wende der Philosophie zur (apriorischen) Transzendentalphilosophie reiner, sich selbst bestimmender Vernunft. Und es kündigte sich bereits an auch die philosophische Kritik an philosophischen Aussagen im Allgemeinen und an metaphysischen Aussagen im Besonderen. Denn Philosophie und Metaphysik gehen ihres Gegenstandes verlustig, sie gehen verlustig der Wirklichkeit und eines möglichen Bezugs auf diese. Philosophie agiert nach-nominalistisch nur mehr als Vernunft- oder Sprachkritik bzw., später und zuletzt, als Sprachtherapie. Vernunft und Sprache operieren nicht mehr im Horizont und Anspruch von Wirklichkeitsgeltung und das Handeln orientiert sich nicht mehr an der Evidenz eines vorgefunden-indizierbaren (sittlich) Guten (der Vernunft, des Strebens oder des Willens). Stattdessen kann nach-nominalistisch nur mehr die Frage gegenständlich sein, wie Vernunft, Sprache und Handeln bestmöglich gestaltet, nämlich funktionell idealtypisch gestaltet werden können. Wobei dann aber unklar bleiben muss, was als der je zugrunde gelegte Maßstab des Bestmöglichen/Idealtypischen eingeführt und gerechtfertigt werden kann. Denn einen Maßstab, der aufgefunden werden könnte, gibt es nicht mehr. Wird die Philosophie einen Ausweg finden aus dieser ihrer misslichen Lage? Was wird nach ihr – und vielleicht an ihrer Stelle – kommen? Eine Postphilosophie?

2      Thomas von Aquin (1225-1274): Geglaubte Grundsicherung des Glaubens

Im Zuge der mittelalterlichen Grundlegung menschlichen Lebens, Denkens und Handelns nähern wir uns derjenigen Instanz europäischer Philosophie- und Theologiegeschichte, deren geschichts-, wissenschafts- und theologiemächtige Wirkung weit über das Mittelalter hinaus anhalten, darin das christliche Glaubensleben und die kirchliche Institution prägen, aber auch deren Widersacher und Gegner bis in die Gegenwart hinein entscheidend beeinflussen sollte. Wir nähern uns Thomas von Aquin (1225-1274), dem Dominikanermönch und Theologiestudenten (1239-1252, in Neapel, Paris und Köln), dem Universitätslehrer (1252-1273, in Paris, Neapel, Orvieto und Rom) und Verfasser sowohl vielbändiger systematischer Werke – „Summa contra gentiles“ („Summe gegen die Heiden“) und „Summa theologica“ („Summe der Theologie“) – als auch kleinerer Lehr- bzw. Unterrichtsschriften – zB „De veritate“ („Über die Wahrheit“) und „De ente et essentia“ („Über Seiendes und Wesenheit“). Wir nähern uns dem Kirchenlehrer Thomas von Aquin, dem ‚Doctor Angelicus‘ oder auch: Wir nähern uns dem ‚Aquinaten‘.

Zugleich nähern wir uns damit aber auch den Grenzen mittelalterlichen Denkens so, wie sie ihm zunächst aus sich selbst erwachsen waren und wie sie sich dann, besonders im Universalienstreit, in den Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Protagonisten nominalistischen Philosophierens und Theologisierens zu erkennen gaben. Wirkungsgeschichtlich agierten die (rationalistischen) Nominalisten als Vorboten neuzeitlichen Denkens. Sie leiteten jene Revolutionierung der Denkungsart ein, die uns dann später bei Descartes und Kant begegnen und die das Selbstverständnis des Menschen als Menschen umstürzen wird. Geführt werden wir darin auch zu den Grenzen, die dem mittelalterlichen Denken gesetzt wurden durch paradigmatische Impulse wissenschaftlicher Praxis. Diese Impulse entstammten keineswegs ausschließlich der Philosophie, sondern auch sozialen und ökonomischen Entwicklungen, besonders aber einem neuartigen technisch-ökonomischen Gestaltungswillen.

Obgleich Thomas von Aquin bis heute zentrale Referenzgröße philosophischer und theologischer Begriffs- und Theoriebildung, zudem kirchlicher Traditionspflege ist, liegt seine tatsächliche Bedeutung für die Herausbildung neuzeitlich-modernen Denkens letztlich wohl eher darin, diesem (ungewollt) als Negativ- bzw. Abgrenzungsmatrix gedient zu haben. Denn die gegen Thomas von Aquin im Universalienstreit eingeführte rationalistisch-nominalistische Position hat wirkungsgeschichtlich dasjenige zu initiieren vermocht, was uns zunächst in der neuzeitlichen Philosophie, dann aber vor allem in der Gegenwartphilosophie begegnet. Als deren Zentrum kann nämlich eine (a) Philosophie des Willens und der Freiheit ausgemacht werden, zudem eine (b) sprachphilosophische Zurückweisungen philosophisch-metaphysischer Wahrheits- und Geltungsansprüche, das (c) Säkularisierungstheorem und die (d) verschiedenen Varianten atheistischer Weltanschauung. Um all dieser Verweisungszusammenhänge (thomanische Philosophie und Theologie, rationalistisch-nominalistische Bedeutungstheorie sprachliche Ausdrücke, neuzeitliche Willenskonzeption, säkular-atheistisches Denken) einsichtig werden und sie in ihrer geistesgeschichtlichen Dynamik verorten, nachvollziehen und ggf. kritisieren zu können, müssen wir uns dem Thomas nähern. Wir müssen uns ihm nähern als einem Protagonisten des Universalienstreits und als jenem Universitätslehrer, dessen Rezeption der Aristotelischen Schriften die Theologie zu einem neuen, zu einem heute jedoch hochproblematischen Selbstverständnis geführt hat: Theologie gestaltet sich in Geltung der logica nova als aristotelisch-deduktive Wissenschaft. Damit stieß sie zugleich auf den Widerstand der überlieferten (platonisch-realistischen) Mönchstheologie, aber auch der (aristotelisch-konzeptualistisch-nominalistischen) Willenstheologie (Ockham, Scotus).

2.1     Doppelwelt: Das Sprechen von Gott in Theologie und Philosophie

Thomas von Aquin ist für die europäische Geistes- und Religions- bzw. Theologiegeschichte von überragender Bedeutung. Denn er separierte innerhalb der theologischen Rede von Gott einen spezifisch gekennzeichneten Wissensbereich, den er ausschließlich philosophisch-vernunftgeleiteter Argumentation vorbehalten sein ließ. In diesem Bereich (innerhalb der Theologie!) rechtfertigte er christliche Glaubensgehalte – zB, dass Gott der Schöpfer und Erhalter der Welt ist – mit philosophischen Argumenten und in Übernahme naturwissenschaftliche Theoreme als wahr. Thomas von Aquin agierte in der Theologie somit (auch) als Philosoph. Theologie ist Wissenschaft. Er und diejenigen, die ihm in seiner Konzeption von Theologie folgten, forderten durch Sätze der philosophischen (‚natürlichen‘) Vernunft die Zustimmung ein zu christlichen Glaubensgehalten. Sie forderten (und fordern) diese Zustimmung auch ein von jenen, die noch nicht glaub(t)en. Zumindest aber legte Thomas in dieser Weise die Vernunftgemäßheit diverser Glaubensgehalte dar, auch und gerade jenen gegenüber, die den Wahrheitsgehalt christlicher Glaubensrede anzweifelten: Christliche Glaubensgehalte widersprechen nicht der Vernunft! Aber auch Thomas wusste: Dass sie zudem (notwendig und allgemein) wahr sind, war damit natürlich noch nicht gesagt.

Inhaltlich ist diese Thomanische philosophische Rekonstruktion der christlichen Rede von göttlichen Dingen, besonders aber der christlichen Rede vom Schöpfergott, an den aristotelischen Naturbegriff gebunden, vor allem an die aristotelische Bewegungstheorie. Von ihr übernahm sie das Theorem eines unbewegten Bewegers als der Erst- bzw. Letztursache alles Seienden, dessen also, was Aristoteles den laufenden Wandel nannte. Thomas von Aquin übernahm dieses Theorem als philosophische Rekonstruktion dessen, was Christen meinen, wenn sie von Gott sprechen. Diese Integration aristotelischer Naturwissenschaft bzw. -philosophie in die (theologisch verantwortete und philosophisch rekonstruierte) Gottesrede des christlichen Glaubens sollte weit über das Mittelalter hinaus wirksam sein. Sie hat die abendländische Geistes- und Kulturgeschichte in vielerlei Hinsicht geprägt. Aber sie ist heute mitursächlich für die Sprachlosigkeit christlicher Gottesrede, für deren Mangel an Überzeugungsfähigkeit. Zudem galt und gilt sie auch Atheisten als Auskunft darüber, was religiöse Menschen meinen, wenn sie von Gott reden. Sie ist so, als Negativfolie, bestimmend geworden für die Ausbildung und Gestaltgebung atheistischer Philosophie und Weltanschauung.

2.2     Theologische Wissenschaftslehre

Die Maßstäbe und Kriterien der Theologie als einer methodisch agierenden Wissenschaft wurden von Thomas von Aquin in den Vorgaben des Aristotelischen Organons gefunden, in der ‚logica nova‘. Diese Schriften waren im lateinischen Westen rezipiert worden über die arabisch-islamische Traditionslinie, vor allem über Avicienna (980-1037) und Averroes (1126-1198). Mit dieser maßstäblichen wissenschaftsmethodischen Vorgabe war klar, dass ein Behauptungssatz nur dann wissenschaftlich ist, wenn er ein Allgemeines und Notwendiges zu erkennen (zu verstehen) gibt. Sinnlich-empirische Sachverhalte müssen also auf allgemeine Prinzipien zurückgeführt werden, die ihrerseits von höherrangigen Prinzipien abgeleitet und kraft ihrer geordnet, letztlich also in einem einzigen allgemein(st)en Prinzip (dem ‚ersten Subjekt‘) begründet sein müssen, mithin auf dieses zurückgeführt und entsprechend seiner geordnet werden können. So Aristoteles. Und so die thomanische theologische Wissenschaftslehre.

Thomas von Aquin wurde damit vor allem hinsichtlich zweier Aspekte zu der Referenzgröße mittelalterlicher Wissenschaftsmethodik:

  • Ein Satz ist wissenschaftlich dann und nur dann, wenn er ein Allgemeines und Notwendiges über einen Gegenstand zu verstehen gibt, durch Angabe nämlich allgemein(st)er Prinzipien. Wissenschaftist Kenntnis der allgemeinsten, der prinzipiellen Beweisgründe und aller aus ihnen deduzierbaren (ableitbaren) Sätze.
  • Auch Theologie ist eine Wissenschaft, jedoch die einzige Wissenschaft, deren erstes Subjekt / oberstes Prinzip – im Falle der Theologie ist es das Wesen Gottes – nicht von ihr selbst, nicht mit den Mitteln der natürlichen Vernunft erkannt werden kann. Der Theologie ist das Wesen Gottes, ihr ist die Notwendigkeit/Allgemeinheit göttlichen Tuns und Schaffens verborgen. Hier muss sie glauben, gestützt auf die biblische Offenbarung und die kirchliche Lehre. Insofern ist die Theologie zwar eine Wissenschaft, jedoch baut sie auf Weisheit auf. Erkannt werden können die Prinzipien dieser Wissenschaft und kann deren oberstes Prinzip / erstes Subjektnur von Gott (und von den Heiligen bzw. Seligen). Aber wissenschaftliche Theologie kann (immerhin) kraft natürlich-philosophischer Vernunft die Schlussfolgerungen aus diesen geglaubten Prinzipien erkennen und erforschen. Theologie ist also jene Wissenschaft, die ihre eigenen, die jene allgemeinsten Prinzipien ihres Tuns glauben Und sie ist zugleich jene Wissenschaft, die philosophisch die Schlussfolgerungen aus diesen Prinzipien erkennen kann. Eben so, als methodisches Verfahren des im Ausgang (a) vom geglaubten Gott (b) formal stimmig gefolgerten (notwendigen) Wissens, ist die Theologie die höchste Wissenschaft.

Diese thomanisch konstruierte Wissenschaftlichkeit der Theologie wurde kirchlich gleichsam kanonisiert. Sie gibt vor, was Theologie sei und wie sie zu arbeiten habe. Sie wurde aber von der neuzeitlichen und von der aktuellen theologischen Wissenschaftslehre mitunter als ‚Stockwerke-Theologie‘ einer wissenschaftsmethodischen und inhaltlich-theologischen Kritik unterzogen. Denn ihre Zweiteilung in eine wissende Theologie als Wissenschaft (deduzierter Sätze) und eine glaubende Theologie als Weisheit (des ersten Subjekts / Gottes) überzeugt nicht mehr.

2.3     Mittelalterliches religiöses Sprechen

Die thomanische Konzeption der Theologie als einer Wissenschaft griff die einst von Anselm von Canterbury (1033-1109) entworfene Doppelprogrammatik glaubensreflektierenden Denkens auf. Diese lautete, dass der Glaube nach vernünftiger Einsicht zu suchen habe (‚fides quaerens intellectum‘)  und der Mensch bereits glauben müsse, um das Geglaubte vernünftig einsehen zu können (‚credo, ut intelligam‘): Christliche Glaubensreflexion will Glaubenssätze mit rein rationalen Mitteln bewahrheiten und sie will ausschließlich Glaubenssätze bewahrheiten; deshalb muss derjenige, der christliche Glaubensreflexion betreibt, glauben, anderenfalls ihm ja nichts vorläge, was er rein rational (‚sola ratione‘) bewahrheiten könnte. Jedoch folgte Thomas von Aquin dieser Anselmschen Programmatik nur dem Wortlaut, nicht ihrem Sinn nach. Denn Anselm hatte die philosophische Vernunft – wenn auch noch in ihrer platonischen, erkenntnismetaphysisch-realistischen Gestalt und im Rahmen der ‚logica vetus‘ – als den alleinigen Maßstab der Glaubensreflexion etablieren wollen. Bei Thomas hingegen agierte das credo-ut-intelligam als Titel einer Wissenschaftstheorie, die innerhalb theologischen Denkens eine Einordnung der übernatürlichen Vernunft (Theologie als Weisheit) oberhalb der natürlich-philosophischen Vernunft (Theologie als Wissenschaft) praktiziert.

Die thomanische Theologie ist damit eine Stockwerke-Theologie. Die philosophisch-wissenschaftliche Vernunft (‚Theologie als Wissenschaft‘) erhält ihre Einordnung in das Gesamt des Denkens durch die ‚Theologie als Weisheit‘. Diese gelangt zur Kenntnis ihrer obersten Prinzipien durch den Glauben und nur durch ihn, ausschließlich also kraft dessen, was sie als übernatürliche Gnade anführt. Theologie ist damit zwar nicht hinsichtlich der Aussagen, die aus diesen Prinzipien logisch gefolgert (‚deduziert‘) werden können, von religiösen Sätzen prinzipiert. Hier agiert sie ganz und ausschließlich philosophisch. Wohl aber ist sie von diesen religiösen Sätzen hinsichtlich ihrer Prämissen (ihrer Axiome und ersten Allgemeinbegriffe) prinzipiert. Theologie ist damit letztlich keiner philosophischen Rechtfertigung fähig oder bedürftig. Eine strikte Trennung steht im Hintergrund der thomanischen theologischen Wissenschaftspraxis. Damit agiert die Philosophie bei Thomas in der Frage der Gotteserkenntnis und in der philosophischen Rekonstruktion des christlichen Schöpfungsglaubens als jene Wissenschaft, die auch im Buch XII der Aristotelischen „Metaphysik“ als ‚philosophische Theologie‘ angeführt ist. Bei Aristoteles aber war sie auch in ihren Prinzipien philosophisch konstruiert. Bei Thomas von Aquin ist sie dieses nicht. Bei ihm empfängt sie ihre obersten Prinzipien nicht aus sich selbst, nicht aus natürlicher Vernunft, sondern aus Offenbarung und Glauben.

Thomas von Aquin ließ seine theologische Wissenschaftspraxis in seinen Gottesbeweisen Gestalt annehmen. Die Existenz Gottes könne erkannt werden mit den Mitteln natürlicher Vernunft, sei also rein philosophischer Wissenschaftspraxis gegenständlich. In Übernahme methodischer aristotelischer Unterscheidungen und der aristotelisch-naturwissenschaftlichen Theorie der Ortsbewegung stiftete Thomas jenen philosophischen Gottesbegriff, der für die gesamte abendländische Tradition bestimmend werden sollte, und zwar sowohl für die theologische und philosophische Tradition als auch für die neuzeitlichen atheistischen und/oder für jene Traditionen, die vom naturwissenschaftlichen Säkularisierungstheorem geleitet sind. Die durch Thomas (und dessen Lehrer Albert dem Großen, ca. 1200-1280) universitär initiierte Aristoteles-Rezeption war entscheidend für die Herausbildung der christlich-religiösen und der philosophischen Gottesrede so, wie sie, teilweise bis heute, von Christen gleich wie von Atheisten praktiziert wurde und wird. Was zur Folge hat, dass bei Revision dieser Gottesrede auch die Atheismen den Gegenstand ihrer Kritik, also die negative Referenzgröße ihrer weltanschaulich-philosophischen Konstruktionen verlieren, sie also (zumindest) diesbezüglich hinfällig werden würden.

Albert der Große, Thomas von Aquin und die vielen anderen Denker, die sich an den Universitäten ansiedelten, wollten die christliche Rede vom Schöpfergott so, wie sie in den biblischen Texten und bei den Kirchenvätern ergeht, mit philosophischen Mitteln rekonstruieren. Sie wollten sie bewahrheiten, indem sie den Maßstäben des Aristotelischen Organons (der ‚logica nova‘) folgten und die seinerzeitigen naturwissenschaftlichen Theoreme akzeptierten. Sie sollte auch den Ungläubigen zustimmungsfähig werden, jenen also, denen eine (als Glaube ergehende) übernatürliche Gotteserkenntnis fernlag. Daher hatte innerhalb einer als theologisch ausgewiesenen Praxis ausschließlich philosophisch argumentiert zu werden. Die obersten Prinzipien dieser theologischen Argumentation aber mussten bei Thomas von Aquin allein der göttlichen Erkenntnis zugänglich bleiben. An dieser könne der Mensch aufgrund allein göttlichen Offenbarungshandelns und eigenen Glaubens teilhaben, also auch nur so Theologie betreiben. Nur im Rahmen dieser eng gehaltenen Voraussetzungen war der Glaubensgehalt ‚Schöpfungshandeln Gottes‘ für Nicht-Gläubige zustimmungsfähig, nämlich als natürliche/philosophische Wahrheit rekonstruierbar.

3      J.D. Scotus (ca. 1266-1308): Gewusste Grundsicherung geglaubter Unendlichkeit

Nicht anders, als es zuvor schon Thomas von Aquin getan hatte, rezipierte auch Johannes Duns Scotus (1266-1309) die Aristotelischen Schriften. Und auch er tat es als Philosoph und Theologe. Jedoch wies er der Philosophie einen gänzlich anderen Auftrag, eine irreversible und ursprüngliche Funktion innerhalb theologischer Argumentation zu. Er hat Theologie anders betrieben. Seine Theologie will keine Theologie i. S. des Thomas von Aquin sein. Sie ist weder Wissenschaft als Weisheit noch ist sie axiomatisch-deduktive Wissenschaft. Ein anderes Verständnis von Theologie, ein anderes Verständnis von Wissenschaft. Aus der Sicht des Thomas: Eine nichtwissenschaftliche Theologie, eine nichtwissenschaftliche Wissenschaft.´

3.1     Theologische Wissenschaftslehre

Scotus formulierte eine eigenständige, eine von den thomanischen Vorgaben entscheidend abweichende Wissenschaftslehre der Theologie. Da und insofern Theologie praktiziert werde, geschehe dies nämlich unter Vorbehalt dessen, dass die menschliche Natur einschließlich ihres Erkenntnisvermögens aufgrund ihres erbsündigen Abfalls unvollkommen ist. Unerkennbar sei ihr daher Gott so, wie er in seiner Wesenheit, wie er in sich selbst ist. Und ebenso wenig könne die philosophisch-natürliche Erkenntnis Einsicht nehmen in das Wesen des Menschen, in das letzte und eigentliche Ziel menschlichen Lebens. Und damit könne der Mensch als Mensch, könne er kraft philosophischer Vernunft auch nicht die im christlichen Glauben zugesagte Finalgestalt seines Daseins erkennen: Die glückseligmachende Schau Gottes (‚visio beatifica Dei‘) bleibe seiner irdisch-natürlichen Existenz verborgen, er erkenne nicht, dass sie ihm als sein ewiges Heil bestimmt ist. Für beides – für das Erkennen Gottes und für das Wissen um die Letztbestimmung seines eigenen Lebens – bedürfe der Mensch vielmehr und hätte er immer (nach dem Sündenfall) bedurft Gottes übernatürlicher Offenbarung einerseits und des Glaubens an diese Offenbarung andererseits.

Gleichwohl jedoch ist es für Scotus evident, dass innerhalb dieser geoffenbarten und geglaubten Wahrheit irgendwie und in irgendeiner Weise ein natürliches, ein philosophisches Wissen enthalten sein muss. Denn anderenfalls wäre es dem Menschen nicht möglich, jene übernatürliche Wahrheit als ‚visio beatifica Dei’ zu identifizieren, zu verstehen und zu glauben. Und daher – weil also dasjenige, was den Christen von Gott geoffenbart und von ihnen geglaubt wird, (irgendwie) auch verstanden und zu verstehen gegeben worden sein muss – müsse der Theologe immer auch Philosoph sein. Er müsse das Geglaubte philosophisch verständlich machen, und zwar in ausschließlich philosophischer Argumentation. Keine Theologie als Weisheit, die der Theologie als Wissenschaft übergeordnet wäre so, dass diese von jener ihre Axiome, ihr erstes Subjekt zu empfangen hätte. Keine Stockwerke-Theologie. Ein Theologe dürfe sich ausschließlich philosophischer, er dürfe sich ausschließlich vernünftiger und ausschließlich vernünftig kritisierbarer Argumente bedienen. In dieser Weise auf die Philosophie verpflichtet, sei daher durch die Theologie alles abzuweisen, was der Logik, der aristotelischen Wissenschaftslehre und der Philosophie widerspricht. Es müsse alles kritisiert und abgewehrt werden, was sich nicht an die Regeln der aristotelischen Dialektik hält. Der Philosophie damit kam für Scotus innerhalb der Theologie vor allem eine kritische Funktion zu, sie habe zu garantieren, dass eine zB aus der philosophischen oder theologischen Tradition übernommene Argumentation formal zulässig ist und keinen ungeprüften Voraussetzungen folgt. Alles – alle Argumente, alle Voraussetzungen und vor allem die stillschweigenden Voraussetzungen – zu überprüfen und jegliches Vernunftwidriges zurückzuweisen, war das Hauptgeschäft des so auch schon zu Lebzeiten als subtiler Professor (‚doctor subtilis‘) titulierten, teils verspotteten, teils aber auch bewunderten J.D. Scotus.

3.2     Intuitives Erkennen – Haecceitas – Distinctio formalis

Scotus ging also davon aus, hierin ganz Theologe (aber eben nicht thomanischer Theologe), dass der Anwendungsbereich philosophisch-abstrakten Erkennens sehr begrenzt ist. Und zugleich teilte er mit der gesamten mittelalterlichen Selbstgewahrung die (augustinische) Überzeugung, dass die Vollgestalt des eigenen Lebens – das ewige Heil – ausschließlich in der und als die glückselige Schau Gottes (‚visio beatifica Dei‘) besteht. Damit wusste er das Erkennen, zumindest aber einen spezifischen Modus des Erkennens, als Vollgestalt vollkommenen und gläubigen Menschseins installiert, das Schauen. Dieser Erkenntnismodus weicht von demjenigen der aristotelischen Wissenschaft/Dialektik ab. Es ist kein abstrakt-deduktives Erkennen, sondern, als Schauen, ein intuitives Erkennen. Und es ist damit ein Erkennen, das individuell ergeht. Keineswegs also war dem Scotus – in jeder Hinsicht seinem Anspruch verpflichtet, alle überlieferten Lehrtraditionen auf ihre formal-argumentative Schlüssigkeit zu prüfen – das in der glückseligmachenden Schau Gottes ergehende Erkennen aus dem Bereich natürlich-menschlichen Erkennens ausgeschlossen. Sehr wohl war es ihm Gestalt und Vollzug natürlichen und geistigen Erkennens. Aber es war ein intuitives und individuelles Erkennen, ein Schauen. Damit widersprach Scotus der thomanischen Stockwerke-Theologie. Das in der glückseligmachenden Schau Gottes ergehende Erkennen muss tatsächliches und natürliches, wirkliches und wahres Erkennen sein. Es muss (irgendwie) gleichbedeutend (‚univok‘) sein jedem anderen Erkennen. Es muss, darf und kann kein abstraktes Erkennen sein.

Mit dem Insistieren darauf, dass jedes Erkennen ein (tatsächliches) Erkennen ist und dass allen möglichen Erkenntnismodi ein Gemeinsames, ein Gleichbedeutendes (‚Univokes‘) eignet, lehnte Scotus die thomanische Transformation der aristotelischen Bedeutungstheorie ab. Für Scotus war die aristotelische Evidenz unverrückbar: „Das Seiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, aber immer in Beziehung auf Eines und auf eine einzige Natur und nicht nach bloßer ‚Namensgleichheit‘ (‚ὁμώνυμος‘ [‚homónymos‘]“ (Aristoteles, Metaphysik IV 2, 1003a,33-35).

Scotus lehnte die thomanische und die rationalistisch-nominalistische Bedeutungstheorie sprachlicher Ausdrücke ab. So zumindest für die Sprachausdrücke ‚seiend‘ und ‚erkennen‘. Denn diese seien, gegen Thomas, auf Eines bezogen. Scotus widersprach der thomanischen These von der Doppeldeutigkeit bzw. Analogizität der Rede vom Seienden, er widersprach der These, das Wort ‚Seiendes‘ würde einerseits meinen das Seiende so, wie es in die zehn aristotelischen Kategorien (Substanz und neun Akzidenzien) eingeteilt wird, und es würde andererseits analog das logische bzw. erkannte Seiende, also die Wahrheit der Aussagen meinen, sodass (lediglich) diese Analogizität die Gemeinsamkeit bzw. die einzige Natur beider Verwendungen von seiend – seiend und erkannt seiend – wäre.

Scotus gab damit auch auf die Frage nach dem Erkennen eine von Thomas von Aquin abweichende Antwort. Für diesen war ‚Erkennen‘ ein analoger sprachlicher Ausdruck, als ‚Gott erkennen‘ nicht gleichsinnig dem ‚Sokrates erkennen‘ oder dem ‚einen Stock erkennen‘. In jener Weise entspringe es vielmehr übernatürlicher, in dieser Weise hingegen natürlicher Vernunft. Bei Scotus aber ist ‚Erkennen‘ ein univoker – also ein ‚in mehrfacher Bedeutung, aber immer in Beziehung auf Eines ausgesagter‘ – sprachlicher Ausdruck, als ‚Gott erkennen‘ ein intuitives (geistiges) Erkennen, als ‚Sokrates erkennen‘ oder als ‚den Stock erkennen‘ ein abstraktes (geistiges) Erkennen, abstrahierend vom Sinnenbild. Beides aber tatsächliches, eben geistiges Erkennen. Dem Scotus ist die Rede vom Erkennen also keineswegs mehrdeutig oder analog, wohl aber innerlich differenziert: Es differenziert sich (a) in das abstrakte bzw. das der Abstraktion entspringende philosophisch-wissenschaftliche (geistige) Erkennen, das sich mit den Mitteln der natürlichen Vernunft aktualisiert, vor allem also mit den Mitteln der aristotelischen Dialektik; und (b) in das intuitiv-anschauende dies-hafte (‚haecceitas‘) natürliche (geistige) Erkennen, das im Falle der Gotteserkenntnis zudem der ergänzenden freien Gnadenzuwendung Gottes bedarf, um diesen dann auch tatsächlich (schauend) zu erkennen. Gegen die thomanisch-aristotelische Abstraktionstheorie menschlichen Erkennens/Urteilens ist bei Scotus nicht das abstrakte Erkennen, sondern die intuitiv-intellektuelle Anschauung Voll- und Höchstgestalt menschlicher Vernunft. Denn sie sei ja auch jene Gestalt der Vernunft, welche Gott schaue (‚visio beatifica Dei‘) bzw. zur Schau Gottes hinführe.

Intuitiv aber sei dieses Erkennen, da es nicht (abstrahierend) von den einzelnen Sinnenbildern ausgeht. Das intuitiv-geistige Erkennen erkenne keinen Spezies- bzw. Allgemeinbegriff des Gegenstandes, es sei kein lediglich allgemeines Erkennen. Sondern es erfasse seinen Gegenstand direkt, dies-haft (‚haecceitas‘) ohne den Umweg einer Spezies- bzw. Allgemeinbilderhebung, eben intuitiv, gleichwohl aber doch geistig. Scotus ließ also den Menschen durch natürliches (intuitiv-geistiges) Erkennen Zugang nehmen zum Konkreten, zum Einzelnen, zum Individuellen. Das einzeln-konkrete Seiende ist, gegen das platonisch-neuplatonische Ideen-Verdikt, keine des Geistigen unwürdige Unter- oder Deprivationsform des Wirklichen. Sondern es ist an ihm selbst eigentlicher Gegenstand menschlichen Erkennens und es ist dies noch vor aller Zugehörigkeit zu einer Spezies, die im Ausgang von der Sinneswahrnehmung durch Abstraktion erkannt werden kann. Ausschließlich das Einzeln-Konkrete an ihm selbst ist dem (intuitiven) Erkennen und, so können wir auf handlungstheoretische Konsequenzen vorausgreifen, dem menschlichen Wollen gegenständlich.

Daher ist es folgerichtig, dass Scotus Einspruch erhob gegen die im aristotelisch-thomanischen Hylemorphismus ergehende Reduktion der Materie (‚materia prima‘) bzw. des Stoffs (‚ὔλη‘ [‚hýlē‘]) darauf, lediglich Individualitätsprinzip zu sein, wohingegen die Form (‚εἶδος‘ [‚eĩdos‘] / ‚μορφή‘ [‚morphé‘]; lat. ‚forma‘ / ‚essentia‘) dasjenige wäre, was irgendwie höherrangig, ontologisch bedeutsamer wäre, da es dem wissenschaftlichen, dem also auf allgemeinste Prinzipienerkenntnis zielenden Denken zugänglich und letztlich dessen einziger Gegenstand wäre. Scotus erhob Einspruch dagegen, das Geistige ein Allgemeines, keinesfalls ein Konkret-Einzelnes, es ausschließlich ein abstrakt, keinesfalls ein intuitiv Erkanntes sein zu lassen. Alles Reale, so Scotus, sei individuell, dies-haft. Als solch Dieshaftes werde es erkannt, intuitiv erkannt. Diese von Scotus indizierte Dies-Haftigkeit (lat. ‚haecceitas‘) des Realen sollte dann im weiteren Gang der Philosophie als prinzipielle Aufwertung des Individuellen rezipiert werden und sich zu einem wesentlichen Aspekt dessen entwickeln, was seit dem 15. Jh., im Übergang vom Mittealter zur Neuzeit, als neue Selbstgewahrung des Menschen als eines unverfügbaren Individuums Raum greifen wird.

Gleichwohl jedoch war Scotus, wie in seiner Zurückweisung der thomanischen Analogielehre gesehen, von der Realität des – im (abstrakten) Begriff ausgesagten – Allgemeinen überzeugt. Er war durchaus Platoniker und Aristoteliker, im mittelalterlichen Universalienstreits zählte er diesbezüglich zu den Realisten. Er fasste diese gemeinsame Realität (etwa das Menschsein) und deren Verhältnis zum Individuum (zum individuellen Menschen, etwa Sokrates) aber differenzierter als die Thomisten. Zwischen dem sprachlichen Ausdruck und dem einzelnen Seienden dürfe kein realer Unterschied bestehen, da dann zwei Sachen vorlägen, womit das Allgemeine (platonisierend) verselbstständigt wäre. Es dürfe aber auch, gegen den konzeptualistischen Nominalismus, kein bloß gedanklicher Unterschied bestehen, da dann nur das Individuelle real wäre, allgemeine Sätze also ihrer Wahrheitsbedingung verlustig gingen und wissenschaftliche Vernunft (abstraktes Erkennen) als Aussage des Allgemein-Prinzipiell-Notwendigen unmöglich wäre. Vor allem aber wären dann die (geglaubten) drei Personen in Gott drei Götter. Daher und stattdessen Scotus: Begriffliches und Konkretes, Allgemeines und Individuelles sind verschieden, jedoch nicht real, sondern formal verschieden. Scotus sprach hier, recht eigenwillig, von einer ‚distinctio formalis‘.

Nahezu zeitgleich mit Thomas von Aquin hatte also ein anderer mittelalterlicher Denker eine eigenständige Wissenschaftstheorie der Theologie  vorgelegt. Sie ließ das Erkennen intuitiv, nicht-abstrakt agieren. So sollte die christliche Glaubensrede von Gott als dem Schöpfer mit anderen philosophischen Mitteln rekonstruiert werden: Nicht abstrakt und deduktiv, sondern konkret und intuitiv, fern jeder Stockwerke-Theologie. Scotus ist, gemeinsam mit Wilhelm von Ockham, traditionsbildender Protagonist der ‚Franziskanerschule‘ theologischen Denkens.

3.3     Gott ist die aktuale Unendlichkeit

Thomas von Aquin hatte die biblische Rede vom Schöpfergott philosophisch bewahrheitet gewusst im Sprechen von einem unbewegten Beweger. Mit Aristoteles hatte er – im Sprechen von einem Kontinuum und einem Medium – den Atomismus aus naturphilosophischer und theologischer Rede verbannt. Er und die gesamte Naturwissenschaft bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hielten fest an der Rede von einem Medium, das den Dauerkontakt bzw. die Gleichzeitigkeit der aufeinander folgenden (kleinen und kleinsten) Einzelbewegungen innerhalb einer Gesamtbewegung zu garantieren vermochte, zB beim geworfenen Stein das Medium Luft oder im translunaren Bereich der Planetenbewegungen das Medium Äther. All diesen Inhalten aristotelischer Naturwissenschaftlichkeit konnten mittelalterliche Protagonisten glaubensreflektierenden und theologischen Denkens ohne große Schwierigkeiten zustimmen. Sie würdigten die Rede vom unbewegten Bewegenden als rationale Rekonstruktion der Gottesrede christlich-biblischen Glaubens und rückten sie in das Zentrum der wissenschaftlich-methodischen Rechtfertigung des Glaubens, der Theologie. Diese war damals gerade im Entstehen, prototypisch, wie gesehen, bei Thomas von Aquin. Die in der Tradition dann als scholastisch angeführten Theologen übernahmen diese thomanisch-aristotelische Rede von Bewegung im Allgemeinen und von Ortsbewegung im Besondern. Ihnen war damit die Apologie eines Sprechens von Gott ermöglicht, das als rationale Rekonstruktion des christlichen Schöpfungsglaubens auftreten und um Zustimmung werben konnte: Gott ist der unbewegte Erstbeweger, die Ursache des Seins von allem. Gott ist der Schöpfer, er ist die Erstursache.

Scotus hingegen nahm Abstand nicht nur von der thomanischen Wissenschaftslehre, innerhalb der Theologie das Wissen von den allgemeinen Prinzipien zu trennen von den Schlussfolgerungen aus diesen Prinzipien. Scotus widersprach einer derartigen Stockwerke-Theologie. Er nahm Abstand davon, diese der natürlich-menschlichen Vernunft zugänglich, jene aber ausschließlich dem göttlichen Erkennen und Offenbaren vorbehalten sein zu lassen. Zudem distanzierte er sich von der aristotelisch ausgelegten thomanisch-philosophischen Rekonstruktion des Gottesglaubens, nämlich von der Integration aristotelischer Naturwissenschaftlichkeit in die Theologie. Scotus weigerte sich, die aristotelische Rede vom unbewegten Beweger zur Grundgestalt und Maßgabe der philosophisch-theologischen Gotteslehre zu machen. So nahm diese bei ihm eine gänzlich andere Gestalt an als bei Thomas von Aquin. Denn er setzte an die Stelle der – bei Thomas im Anschluss an die aristotelische Bewegungsanalyse als denknotwendig ausgegebenen – Rede vom unbewegten Beweger ein alternatives Bewegungstheorem. Dieses hatte zur Konsequenz, dass er den geglaubten Gott philosophisch rekonstruierte als das dem aktualen Vermögen nach Unendliche bzw. als die aktuale Unendlichkeit des Vermögens. Vorgelegt hat Scotus diese seine philosophische Rekonstruktion der christlichen Glaubensrede vom Schöpfergott in Rezeption jener zwei Aristotelischen Texte, die auch Thomas von Aquin für seine philosophische Gottesrede genutzt hat, nämlich des Buchs VIII der „Physik“ und des Buchs XII der „Metaphysik“. Die von Scotus generierte spezifische Rede von einer aktualen Unendlichkeit resultierte aus seinem kritischen Eingriff in die Aristotelische Argumentation zu Gunsten der Rede von einem unbewegten Beweger, die diesen als Implikat des aristotelischen Bewegungsbegriffs – „Alles, was sich bewegt, wird wohl von etwas bewegt werden“ (Aristoteles, Physik, VIII 5, 256a2f) – ausweist. Aristoteles hatte die Rede von einer aktualen Unendlichkeit abgelehnt, da diese den Begriff aktualer quantitativer Unendlichkeit impliziere. Dieser sei keiner vernünftigen Zustimmung fähig: Quantitatives kann nie aktual, sondern immer nur potentiell unendlich sein, zB als Zahlenreihe, im Zuge des Messens, Zählens und Zerteilens. Scotus stimmte diesem Einwand zwar zu, nicht aber der darüberhinausgehenden Behauptung, jegliche Rede von einer aktualen Unendlichkeit verwerfen zu müssen. Vielmehr stellte er in seinem Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, in der „Ordinatio“ bzw. im „Opus Oxoniense“, klar: Aktuale Unendlichkeit supponiert nicht zwingend eine aktuale quantitative Unendlichkeit, sondern kann auch ein aktuales unendliches Vermögen supponieren.

Eine solche Rede von einem dem aktualen Vermögen nach Unendlichen sei keineswegs falsch oder selbstwidersprüchlich. Daher könne man mittels ihrer die im christlichen Glauben ergehende Rede von Gott philosophisch rekonstruieren. Sie, die naturphilosophisch/naturwissenschaftlich ausgewiesene Rede von einem aktual unendlichen Vermögen als der Möglichkeitsbedingung phänomenaler Bewegung- und Veränderungsprozesse bzw. -reihen, rekonstruiere die christliche Rede von Gott als dem Schöpfer. Schöpfer der Welt sei (und bleibe) Gott nicht als unbewegter Beweger, sondern als aktual unendliches Vermögen. Als dieser sei (und bleibe) er der Grund und Urheber (die Erstursache) der phänomenalen Vielheit und Verschiedenheit, der Grund aller sich der menschlichen Wahrnehmung und (Selbst-) Erfahrung darbietenden Veränderungs-, Wachstums- und Untergangsprozesse. Scotus nutzte diese von den aristotelischen Voraussetzungen abweichende Rede von einer aktualen Unendlichkeit als philosophische Rekonstruktion der biblisch-christlichen Rede von Gott: Aktual unendlich zu sein meint, dem aktualen Vermögen nach unendlich zu sein. Es ist dies ein Sprechen von aktualer Unendlichkeit, das dem Aristoteles (und das auch dem Thomas von Aquin) unbekannt war. Hingegen konnte Scotus den christlichen Gottesglauben philosophisch rekonstruieren als den Glauben an ein aktual unendliches Vermögen. Ihm musste Gott kein Erst- und Letztbeweger sein, der vom Bereich der Seienden –  der von allen natürlich-lebendigen, von allen anderen selbst- oder fremdbewegten, aber auch von allen unbewegten Seienden – separiert wäre. Grundlegend und -gebend war dem Scotus keine unbewegte Erst- und Letztbewegung, sondern die Fülle gegenwärtigen Vermögens, gegenwärtiger Vollkommenheit und Macht, eine Fülle, die alle Wirklichkeit und alle (denk- und wünschbare) Möglichkeit umfasst. Eröffnet war eine Ontologie des Offenen, eine Ontologie der (göttlichen) Allmacht, letztlich eine Ontologie des (absoluten) Willens und der Freiheit. Eröffnet war eine Ontologie und Theologie der einen Wirklichkeit: Eine Theologie der Immanenz.

Scotus hat so in Lektüre der Bewegungsrede der Aristotelischen „Physik“ und „Metaphysik“ eine alternative philosophische Rekonstruktion des christlichen Gottesglaubens vorlegt. Sie macht den christlichen Gott philosophisch zugänglich und das christliche Sprechen von Gott vernünftig zustimmungsfähig. Die von ihm und der Franziskanerschule (zB auch von Wilhelm von Ockham, 1288-1347) praktizierte philosophisch-naturphilosophische Vermittlung christlicher Gottesrede wurde jedoch vom kirchlichen Lehramt nicht hinreichend rezipiert. Kirchlich-theologische Glaubensverkündigung war damals und ist bis heute geprägt von der Aristoteleslektüre des Thomas von Aquin, besonders vom Unbewegten-Beweger-Gott, welcher der Welt und dem Menschen ausgelagert (transzendent) ist.

400 Jahre später sollte dann die aristotelische Naturwissenschaft, und hier vor allem das aristotelische Bewegungsmodell, von neuzeitlicher Naturwissenschaftlichkeit zurückgewiesen werden. Zuvorderst geschah dies, indem die neuzeitliche/klassische Physik mit den drei Bewegungsgesetzen Newtons die Bewegung nicht mehr als Eigenschaft eines Seienden, sondern als allgemeine Bewegtheit thematisch setzte: Ausgangspunkt physikalischer Bewegungstheoreme ist kein körperlich Seiendes. Diese Hinfälligkeit der aristotelischen Bewegungsanalyse und deren Rede vom unbewegten Beweger schien auch die christliche Gottesrede hinfällig zu machen. Ja, mehr noch: Indem die an Thomas von Aquin geschulte christliche Gottesrede damit ihrer rationalen Referenz verlustig gegangen war, schien der christliche Glaube insgesamt nicht mehr vernünftig zustimmungsfähig zu sein. Damit war jene fatale Zweiteilung von theologisch-religiöser Gottesrede einerseits und positiv-wissenschaftlicher oder philosophischer Rede von Mensch und Natur andererseits installiert, die für die abendländische Geistesgeschichte seither so charakteristisch ist.

Jedoch lagen schon innerhalb der mittelalterlichen Naturwissenschaft Alternativen zum aristotelischen Bewegungs- und Raumbegriff und damit zu den naturwissenschaftlichen Annahmen der thomanisch-aristotelischen Theologie bereit. Abseits nämlich des an der aristotelischen Bewegungsanalyse orientierten wirkungsgeschichtlichen Hauptstroms mittelalterlicher Naturwissenschaft und Gotteslehre hatten sich aufgrund sprachphilosophischer Überlegungen theologische Teilströmungen formiert, die andere naturwissenschaftliche Evidenzen integrierten. Sie können heute als Vorzeichen neuzeitlicher Naturwissenschaft (Galileis und Newtons) gelesen werden.

4      Vorzeichen der Neuzeit in mittelalterlicher Wissenschaft

Schon innerhalb der mittelalterlichen Sprachphilosophie wurde die Bewegung teilweise nicht als Eigenschaft des sich bewegenden Körpers, sondern als allgemeine Bewegtheit thematisch. Und schon innerhalb mittelalterlicher Naturwissenschaft wurde ein Theorem der unnatürlichen Ortsbewegung gebildet, das keines medium-vermittelten Dauerkontakts der Bewegungsglieder zu einem bewegenden Beweger bedurfte. Zudem wiesen einige Autoren im Rahmen nominalistischer Auseinandersetzungen auf die Infinitesimalmathematik voraus, andere wiederum verfolgten ein mathematisch-quantitatives Methodenideal. Damit waren drei zentrale Evidenzen neuzeitlicher Naturwissenschaft von mittelalterlicher Theologie vorweggenommen und in theologische Fachsprachlichkeit integriert. Insofern hätte neuzeitliche Naturwissenschaft nicht zwingend einen religionskritisch-atheistischen Säkularisierungsdruck ausüben müssen.

4.1     Nominalismus – Bewegung ist Teilhabe an Veränderlichkeit

Verschiedene Protagonisten mittelalterlichen Philosophierens bemühten sich, die Rede von der Beschleunigung sprachphilosophisch zu klären. Dies sollte späterhin zur Formulierung quantitativer Bewegungsgesetze führen und jene nominalistische Praxis evozieren, die sich von den platonisch-aristotelischen Vorgaben der traditionellen (augustinischen) Glaubensreflexion und (thomanischen) Theologie abwendete, indem sie deren erkenntnismetaphysische und naturphilosophische Grundlagen beseitigte. Die traditionelle Rede von der Ortsbewegung war der platonisch-aristotelischen Tradition eingebunden. Sie war dies auch noch bei Wilhelm v. Ockham: Indem ein Aussagesatz ‚s ist P‘ eine Teilhabe von s an der Idee (idea) bzw. Form (forma, morphe) von P behauptet, ist mit dem formal identen Aussagesatz ‚s wird P‘ eine Änderung dieser Teilhabe von s an besagter P-Form bzw. P-Idee behauptet: Eine Änderung der Teilhabe wechselnder Akzidenzien an einer bleibenden Substanz (Idee, Form). Tiefengrammatikalisch: Es ist eine Änderung des Prädikats/Prädikators (‚das, was ausgesagt wird‘ – ‚kategoróumenon‘) an einem bleibenden Subjekt/Nominator (‚das, wovon etwas ausgesagt wird‘ – ‚hypokeímenon‘) behauptet. Bewegung ist Teilhabe wechselnder Akzidenzien an einer bleibenden Substanz, Bewegung ist eine Eigenschaft von P, P also ist eine fließende Form (‚forma fluens‘; so Ockham für die Ortsbewegung).

Anders hingegen Scotus, wenn auch nur in Betreff der Ortsbewegung der äußersten Himmelssphäre. Nachdem er die entsprechenden Diskussionen der arabischen Philosophie (Avicenna, Averroes) und deren Rezeption durch Albertus Magnus studiert hatte,  legte er eine alternative sprachphilosophische Rekonstruktion der Bewegung vor: Mit s wird P ist Veränderlichkeit/Werden als eine eigene Kategorie/Seinsweise installiert, an der s teilhat für die Dauer seines P-Werdens. Also behauptet ‚s wird P‘ (implizit) die Existenz einer zusätzlichen Kategorie, nämlich einer zu P hinzukommenden ‚fluxus formae‘: Es behauptet ein ‚Fließen der Form‘. Bewegung ist keine Eigenschaft des Seienden, sondern eine eigene, eine von den konkreten Seienden verschiedene Seinsweise. Bewegung ist Teilhabe an (allgemeiner) Veränderlichkeit.

Da und insofern also im (gemäßigten) Nominalismus des Scotus Bewegung/Veränderung nicht, wie bei Aristoteles, als Eigenschaft eines bewegten Körpers, sondern als selbstständige Kategorie gefasst wurde so, dass die sich bewegenden Körper an einer (allgemeinen) Beweglich-/Veränderlichkeit teilhaben, war der aristotelische Rahmen thomanisch-thomistischer Begriffsarbeit gesprengt. Und es war die sprachphilosophische Voraussetzung quantitativer Bewegungsgesetze geschaffen – eben jener Gesetze, die wir als den Kernbestand der neuzeitlich-klassischen Physik kennen (Galilei, Newton.) Scotus setzte seine Rede von einer allgemeinen Beweglich- bzw. Veränderlichkeit an die Stelle der aristotelisch-thomanischen Rede von der Bewegung als Eigenschaft eines bewegten Körpers, die diesem zugesprochen wird, da, so die uns vertraute Tiefengrammatik im ersten Buch der Aristotelischen „Physik“, in einem Elementarsatz das Subjekt als das Bleibende (‚ΰπόστασις‘ [‚hypóstasis‘]) einer anderen Kategorie (nämlich der Kategorie ‚Substanz‘) angehöre als das (akzidentielle) Prädikat (‚κατηγορόυμενον‘ [‚kategoróumenon‘]) als dem Veränderlichen. Hier galt: Seiendes zu sein wie auch Nichtseiendes zu sein kann in verschiedener, nämlich in substantieller (an sich bestehender) oder akzidentieller (nebensächlich bestehender) Hinsicht ausgesagt werden. Aufgrund der Verschiedenheit dieser beiden Redeweisen war es Aristoteles gegen die Eleaten möglich gewesen, von Werden und Entstehen und von einer Vielzahl zu sprechen. Denn solches meine nicht, dass aus einem schlechthin Seiendem oder einem schlechthin Nichtseiendem etwas entstünde (was beides tatsächlich unmöglich sei, wie Aristoteles dem Parmenides zugestand), sondern nur, dass aus einem in bestimmter Hinsicht Seiendem bzw. Nichtseiendem etwas entsteht. Damit nahm in ontologischer Analyse die Substanz (‚substantia‘) bzw. das Wesen (‚οὐσία‘ [‚ousía‘]) die Stelle des grammatikalischen Subjekts (‚ΰπόστασις‘ [‚hypóstasis‘]) ein. Und es nahmen die Akzidenzien (‚σνμβεβηκός‘ [‚symbebekós‘], lat. ‚accidentia‘) die Stelle des Prädikats (‚κατηγορόυμενον‘ [‚kategoróumenon‘]) ein. Zugleich ist damit klar: Die Rede von Bewegung und Veränderung kann niemals die Substantialität des individuell Seienden betreffen, selbige bleibt unveränderlich.

Bei Scotus hingegen (‚fluxus formae‘, ‚Fließen der Form‘) entfällt für die Bewegungen in der äußersten Himmelssphäre die Notwendigkeit, eine dauerhafte Substanz anzunehmen. Das metaphysische Seiende als Seiendes ist keine (beharrliche) Substantialität, die auf der Ebene des Satzes vom Subjekt supponiert werden würde, sondern die Möglichkeit und Vielheit. Sie supponiert die allgemein-kategoriale Beweglichkeit und Veränderbarkeit. Und diese Beweglichkeit ist eine eigne, eine zusätzliche Seinsweise (‚fluxus formae‘, ‚Fließen der Form‘).  Das, worin sich dann neuzeitliche Physik darüber hinaus entscheidend abgrenzen wird von der antik-mittelalterlichen Wissenschaftlichkeit, resultierte zwar aus der Entwicklung einer neuen, einer exakt-mathematischen Naturwissenschaft. Und als deren Eckpfeiler können selbstverständlich markiert werden die Jahre 1534, das Erscheinungsjahr von „De Revolutionibus“ des Kopernikus, und 1687, das Erscheinungsjahr von Newtons „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“. Vorbereitet wurde diese neuzeitlich-exakte Physik aber von sprachphilosophischen Unterscheidungen.

Evident wird dies im 17. Jh. in der Infinitesimalmathematik. Denn sie ist mit Scotus und gegen die platonisch-aristotelische Tradition eine Theorie der Fluxionen: Veränderung ist Teilhabe an einer allgemeinen Veränderlichkeit und nicht Änderung der Teilhabe von Akzidenzien an einer (bleibenden) Substanz. Tiefengrammatikalisch: Bewegung ist nicht der Wechsel von Prädikaten (‚kategoróumenon‘) eines Satzsubjekts (‚hypóstasis‘) / Trägers (‚hypokeímenon‘), sondern eine eigene Kategorie. Sprachphilosophisch war so Newtons Rede (bei beschleunigten Bewegungen) von punktueller Geschwindigkeit ermöglicht.

4.2     Johannes Buridanus – Impetustheorie

Das zum unbewegten Beweger führende und durch Thomas von Aquin in die christliche Glaubensrede von Gott transferierte aristotelische Bewegungstheorem behauptet, dass in jedem Moment einer Bewegung eine (a) fortdauernde und über ein (b) Medium vermittelte Verbindung des Bewegten mit demjenigen bestehen muss, von dem es bewegt wird, um so die aktual-gleichzeitige Weitergabe der Bewegungskette/Bewegungskraft (‚virtus movendi’) zu ermöglichen: Die Verbindung  zB des Werfers mit dem geworfenen Stein, des Stocks mit dem Menschen. Evident ist, dass dieser Bewegungsbegriff nicht der neuzeitlichen nomologischen Physik genügt.

Der Bewegungsbegriff heutiger Physik – ihr ist (a) die gleichförmige (konstante oder beschleunigte) Bewegung natürlich – ist der Antike nicht verfügbar. Neben der aristotelischen ist nur die platonische Theorie der Ortsbewegung bekannt: Beim Werfen eines Steins ist es die durch den fliegenden Stein von vorne nach hinten gedrängte Luft, die, hinter den Stein gelangt, diesen nach vorne bewegt. (b) Nach Aristoteles bedürfte jede Bewegung, jede Ortsveränderung, einer bewegenden Kraft (‚virtus movendi‘). Der natürliche Zustand alles sublunar Seienden wäre also die Ruhe. Hingegen muss nach Auskunft neuzeitlicher Physik nur bei ungleichförmiger Geschwindigkeit eine wirkende Kraft als ursächlich angenommen werden, der Ruhezustand eines Seienden und dessen gleichförmiger (konstanter) Bewegungszustand sind identisch. (c) Selbstverständlich ist der neuzeitlichen Dynamik die gleichförmige Beschleunigung (zB die Fallbewegung entsprechend der Massenanziehung), die wiederum für Aristoteles undenkbar war. Ihm war die konstante Geschwindigkeit die ideale Bewegungsform (und die Ruhe der natürliche Zustand sublunar Seienden). (d) Eine Abweichung von dieser idealen Bewegungsform formulieren und rechnerisch in einem eigenen (Beschleunigungs-)Gesetz zu bewältigen, ist im neuzeitlichen Modell selbstverständlich, gänzlich außerhalb aber des aristotelischen Horizontes.

Schon im Ausgang der Antike hatte jedoch Johannes Philoponos (ca. 490-575) die Bewegungsbahn des geworfenen Steins nicht wie Aristoteles mittels einer durch ein Medium fortwährend vermittelten Kraft (‚virtus movendi‘) erklärt, sondern durch eine sich dem Stein während der einmaligen Wurfbewegung einprägenden ‚vis impressa‘ (ähnlich einem Stein, der sich durch ein Feuer erhitzt). Der Stein fliegt, solange diese Wegwerfkraft anhält. Ist sie verbraucht, fällt er senkrecht zu Boden.

Im 13. Jh. wurde dieser Erklärungsansatz von den Pariser Terministen, etwa vom Führer der Nominalistenschule, Johannes Buridanus (ca. 1300-ca.1358), zur Impetustheorie ausformuliert: Der Impetus eines Objekts ermöglicht dessen gleichmäßig beschleunigte und – dies in Unkenntnis des Trägheitsprinzips der neuzeitlichen Dynamik – zwingend kreisförmige Bewegung. Entsprechend resultiert die (fälschlicher Weise angenommene) unterschiedliche Beschleunigung der Fallbewegung unterschiedlich schwerer Objekte daraus, dass sich in Abhängigkeit von der Schwere eines Objekts auch dessen Impetus verändert, dass dieser also bei leichteren Objekten kleiner, bei schwereren Objekten größer wird. Und da der Impetus der Gestirne unvergänglich sei, bedürfe deren Bewegung gegen Aristoteles keines Bewegers. Daher muss die Impetustheorie für die Bewegung der Gestirne keinen Begriff eines translunaren unbewegten Bewegers bilden. Letzterer steht dann auch nicht als philosophische Rekonstruktion des biblisch-christlichen Gottesglaubens zur Verfügung. Kurz: Die aristotelischen Bewegungstheoreme einschließlich des unbewegten Bewegers sind unter Voraussetzung der Impetustheorie hinfällig. Diese Konsequenz ist uns schon von Scotus vertraut. Und sie gibt uns heute Raum, den christlichen Gottesglauben philosophisch nicht unter Hinzuziehung des unbewegten Bewegers zu rekonstruieren, die Theologie also nicht an eine überholte Metaphysik oder Naturwissenschaft zu binden. Während bei Aristoteles und in der antiken, spätantiken und mittelalterlichen Naturforschung die Fall- wie die Aufstiegsgeschwindigkeit eines Körpers (a) eine Funktion der Eigenschaft des betreffenden Körpers (als Rückkehr in den Zustand natürlicher Ruhe oder als Impetus) und (b) konstant war, wird erst Galileo Galilei mit seinen Gesetzen des freien Falls (1590) die (a) Unabhängigkeit der Fallgeschwindigkeit von Gestalt, Zusammensetzung und Masse eines Körpers formulieren und klarstellen, dass (b) die Beschleunigung für alle Körper am selben Ort konstant und gleich groß ist.

4.3     Mathematik ist Gedanke Gottes und Sprache der Natur

Als wirkmächtige Abwendung vom Aristotelismus der Hochscholastik wurde im Humanismus der Renaissance – etwa bei Nikolaus von Kues (1401-1464) – erneut installiert, zugleich aber entscheidend modifiziert das platonische Ideal mathematischer Theoriebildung und Rechenarbeit. Die Mathematik hatte nun nicht mehr, wie einst bei Platon, das Vergängliche mit den Ideen zu vermitteln. Vielmehr vermöchte die Mathematik Gott zu erfassen, da er sich zur Welt verhalte wie das Unendliche zum Endlichen. Hierin kündigte sich die neuzeitliche Mathematik an, Gedanke Gottes und – entsprechend die Identifizierung im ‚deus sive natura‘ (‚Gott oder Natur‘) bei Baruch de Spinoza (1632-1677) – Sprache der Natur zu sein. Erst auf dieser Basis wurde es möglich, jene Methoden und Gehalte zu generieren, die schließlich als neuzeitliche Physik bzw. als exakte Wissenschaftlichkeit etabliert werden sollten.

Dies alles geschah jedoch nicht schon bei N. Kopernikus (1473-1543), sondern erst bei G. Galilei (1564-1642) und J. Kepler (1572-1631). Denn erst deren Formulierung quantitativ-mathematischer Gesetze folgte der wissenschaftsmethodischen Vorgabe, die Hypothesenformulierung innerhalb wissenschaftlicher Theorienbildungen nicht rational begründen bzw. (aus einem ersten Subjekt) deduzieren zu müssen, sondern exemplarisch-intuitiv einführen zu können. Dies nämlich tat erstmals Kepler, und zwar in seiner Hypothese von der elliptischen Bewegungsbahn der Planeten. Denn damit wich er vom platonischen Ideal des gleichförmigen Kreises ab. Axiomatische Hypothesen naturwissenschaftlicher Theorien, aber auch Prämissen etwaiger Teiltheorien werden – und erst dies ist das Typische der neuzeitlichen Naturwissenschaft – aufgestellt, ohne dass sie rational begründet oder logisch deduziert werden müssten. Über ihren Wahrheitswert befindet dann erst die empirische oder experimentielle Bestätigung oder Widerlegung der Protokoll- bzw. Beobachtungssätze, die aus dieser Hypothese abgeleitet worden sind.

Doch war es wissenschaftsmethodisch nicht unausweichlich, den überlieferten Gesamtrahmen aristotelischer technischer Wissenschaftlichkeit zu verlassen. Es bestand kein Zwang, technische Wissenschaftlichkeit sich abwenden zu lassen von jeder ethischen Rechtfertigungspflicht und vom vorgängigen a-numerischen und qualitativen Naturbegriff. Und ebenso war es keineswegs zwingende Konsequenz besagter Hinwendung zu quantitativen Gesetzen, Wissenschaftspraxis nicht mehr geborgen sein zu lassen im geistigen Horizont eines Göttlich-Ewigen und an dessen Stelle nur mehr den begrenzten Horizont technischer Verwertbarkeit zu setzen. Das galileische Fallgesetz etwa [h(t) = h0 –  gt2, mit h = Höhe zum Zeitpunkt t; h0 = Ausgangshöhe; g = Fallbeschleunigung] war bereits von Dominicus Soto (1494-1560) formuliert, sie war von diesem jedoch nicht als methodische Neunormierung wissenschaftlicher Praxis, nicht als Abkehr vom scholastisch-aristotelischen Anspruchsrahmen einer ethisch rechtfertigungspflichtigen und ethisch rechtfertigungsfähigen technischen Wissenschaftlichkeit rezipiert und praktiziert worden. Die neuzeitliche technische Wissenschaftspraxis aber, die dem Galilei folgte und mit dessen Fallgesetz zugleich auch das Wissenschaftsideal quantitativer Bewegungsgesetzlichkeit installierte, entwickelte zusätzlich hierzu eine wirkmächtig anti-aristotelische – also ethischer Rechtfertigungsfähigkeit und qualitativer Kategorialität entbundene – Eigendynamik. Diese konnte und kann sich zwar größter Erfolge rühmen, sich aber eben nicht als fraglose, nicht als zwingende Evidenz der Arbeiten Galileis und dessen Fallgesetzes ausweisen. Sie kann sich daher auch heute nicht durch einen Rückgriff auf Galilei legitimieren oder gar als alternativlos ausweisen. Sie ergab sich nicht unmittelbar aus dem quantitativen Begriff gleichmäßig beschleunigter Bewegung. Zu Gunsten der Wirkmächtigkeit des Ideals neuzeitlich exakter und von geistig-philosophischen Frage- und Problemhorizonten entbundener Wissenschaftlichkeit sprach und spricht vielmehr allein der Erfolg des technisch-wissenschaftlichen Bemühens, besser: das Interesse, Naturabläufe sowohl vorherzusagen als auch rechnerisch in das Kalkül technisch-ökonomischen Tuns zu integrieren, diese Integrationspraxis als solche aber nicht mehr zu thematisieren, also eine im aristotelischen Sinne praktische Philosophie, eine Ethik als Wissenschaft (auch) des mechanisch-technischen Handelns nicht mehr politisch, nicht mehr im Vorfeld naturwissenschaftlichen Tuns anheben lassen zu müssen.