Die verschiedenen Richtungen der Ethik – die Ethiken – geben unterschiedliche Antworten auf die Frage, in welchen Situationen der Mensch wie handeln soll. Vor allem aber begründen sie ihre Antworten unterschiedlich.

Nicht immer ist es leicht, entschlossen zu handeln. Besonders dann, wenn ein Konflikt zu eskalieren droht, können sich Menschen wie gelähmt fühlen. Furcht und Angst bestimmen dann ihr Verhalten. In Situationen, die den Menschen derartig zaudern lassen, merken sie, nicht hinreichend vorbereitet zu sein: Ihnen ist nicht klar, an welchen Maßstäben sie ihr Handeln orientieren wollen und orientieren sollen. Und schon gar nicht sind ihnen diese Maßstäbe „in Fleisch und But“ übergegangen: Sie sind noch nicht zu ihrem ‚Ethos‘ (griech. ‚ἦθος‘ [‚ēthos‘]; gespr. Ähthos] geworden, zu ihrem bewusst verinnerlichten ‚Charakter‘, zu ihrer ‚Moral‘.

Jedes menschliche Handeln gliedert sich in drei Aspekte: (1) Die bewusst-willentliche Handlungsabsicht bzw. das Motiv des Handelns und dessen rückwirkenden  Folgen auf den Handelnden. Mittelbar, also in einem gewissen zeitlichen und/oder räumlichen Abstand, ist das Handeln zudem von (2) nicht-willentlichen Denkgewohnheiten und Persönlichkeitsmerkmalen (vom ‚Charakter‘) beeinflusst, (3) mitunter auch (und hoffentlich) von meinem Wissen um die Folgen des Handelns für andere.

Die Tugendethik ist davon überzeugt, dass ‚gut‘ eine Eigenschaft ist, die vom Charakter, von der gesamten Persönlichkeit eines Menschen ausgesagt wird. Sie will daher den ‚Ēthos‘ (griech. ‚ἦθος‘, gespr. Ähthos], die grundsätzlichen Denk- und Handlungsgewohnheiten eines Menschen beeinflussen.

Die Folgeethik bzw. teleologische Ethik geht davon aus, dass das erreichbare oder das tatsächlich erreichte Ziel (griech. ‚Telos‘) bzw. dass die Folgen einer Handlung entscheidend sind dafür, ob diese Handlung moralisch-sittlich gut ist oder nicht: Gut ist eine Handlung, die gute Folgen hat (zumindest aber solche beabsichtigt). Sie wird daher mitunter auch als ‚Zweckethik‘ oder ‚Konsequentialismus‘ bezeichnet. Max Weber (1864-1920) hat sie als ‚Verantwortungsethik‘ von der ‚Gesinnungsethik‘ abgegrenzt. Wichtige Untergruppen sind der ‚Eudämonismus (griech. ‚Eudaimonia‘: ‚Glück‘; ‚gutes, gelingendes Leben‘), der Utilitarismus (lat. ‚utilitas‘: ‚Nutzen‘, ‚Vorteil‘) und die Gefühls- bzw. Mitleidsethik.

Die pflicht-, absichts- bzw. willensorientierten (‚deontologischen‘) Ethiken gehen davon aus, dass ‚gut‘ keine Eigenschaft einer Handlung oder deren Folgen bzw. Ziele, sondern der Absichten und des Willens der Handelnden ist.