Verhältnis-Selbst (Kierkegaard)

Im Nachgehen cartesianischer Weisungen bestimmte S. Kierkegaard den Geist als das Selbst, nämlich als das Selbstverhältnis, als die Sich-Selbst-Gegebenheit des Menschen im Denken, im Zweifeln, im Einsehen, im Bejahen, im Verneinen, im Wollen, im Vorstellen, im Empfinden. Das Selbst jedoch ist nicht schon diese Selbst-/Bewusstseinsgegebenheit. Sondern das Selbst ist dieses, dass sich diese Selbstgegebenheit ihrerseits zu sich selbst verhält. Der Mensch als Mensch (als ‚Geist‘, als ‚Selbst’) ist Selbstgegebenheit und darin Synthese verschiedener Bestimmungen, aber er ist nicht nur diese Selbstgegebenheit, nicht nur diese Synthese, nicht nur ein Verhältnis zwischen Zweien. In der Sprache Kierkegaards: Er ist nicht nur Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Zeitlichem und Ewigem, von Freiheit (bzw. besser: von Möglichkeit) und Notwendigkeit. Aber er ist nicht nur ein Selbstverhältnis. Sondern er ist – und hier verließ Kierkegaard die cartesianischen Pfade, denen auch noch Hegel gefolgt war – ein gesetztes Selbstverhältnis. Er steht also immer schon in einem Verhältnis, das nicht darin aufgeht, von ihm bestimmt zu sein oder bestimmt werden zu können.

Willens-Selbst (Friedrich Nietzsche)

Der bei Nietzsche agierende Wille ist ein vollständig selbstbezogener Wille, von ihm betitelt als ein Wille zur Macht. Ein Wille, wie er von Nietzsche in der berühmten Parabel vom tollen Menschen angezeigt wird. Dieses Bild Nietzsches vom ‚tollen Menschen‘, der am hellen Vormittag eine Lampe anzündet, stilisiert diesen Willens-Menschen innerhalb des Motivkreises des antiken griechischen Kynikers Diogenes (ca. 400 -323/24 v. Chr.). Von ihm geht die Anekdote, er habe ebenfalls des Mittags eine Lampe entzündet. Und toll und töricht ist in jener Parabel der Mensch insofern, als dass er absieht von jeglichen Begrenzungen seines Tuns und Wollens. Nichts, was ihn beschränken könnte, nichts, was nicht er selbst wäre. Der tolle Mensch sieht ab von allem, was nicht er selbst ist.

Erschlossenes Selbst (Martin Heidegger)

Die Seinsverfassung des Menschen als des ‚seinsverstehenden Wesens‘ – als des ‚Daseins‘ – trägt bei Heidegger den Titel des ‚In-der-Welt-seins‘. Damit ist angezeigt, dass dem seinsverstehenden Wesen immer schon, dass ihm also vor all seiner Intentionalität und dass ihm als deren Bedingung die Ganzheit der Seienden als solche angeht.

Différance-Selbst (Jaques Derrida)

Jacques Derrida und mit ihm der gesamte Neo-/Poststrukturalismus verabschieden sich von der Vorstellung, es gäbe in den (z. B. sprachlichen) Systemen von Differenzen ein je überblickend-handhabendes Zentrum. Auch der Mensch sei kein solches Zentrum. Er kann die Differenzen daher nicht mehr autonom, nicht im Akt der Selbstbestimmung notieren oder gar handhaben. Vielmehr handhaben (‚gebären‘) die jeweiligen Differenzen den Menschen. Damit zeigt das sprachliche Zeichen, gegen de Saussure, keine zweistellige (dyadische) Beziehung an, es agiert nicht als Beziehung zwischen einer Lautfolge oder einem Schriftbild einerseits und einer Vorstellung oder einem Intelligiblen andererseits.

Kontinuität-Bruch-Selbst (Georges Bataille)

Das Schreiben Batailles fokussiert sich im Widerstand gegen eine Kultur, die hinter jener Dialektik zurückbleibt, die uns von Hegel eröffnet wurde: Gegen eine Kultur, die zurückbleibt hinter der phänomenologisch-ontologischen ‚Erfahrung (Erfahrung-Bewusstsein)‘. Bataille bleibt jedoch bei dieser Dialektik nicht stehen. Und natürlich verbleibt er nicht beim ‚letzten Menschen‘ und nimmt er keine Zuflucht bei der Botschaft vom Tod Gottes und beim Pathos des Übermenschen. Bataille folgt vielmehr der Phänomenologie eines sich (höher) entwickelnden Denk-Erlebens, einer sich höher entwickelnden ‚Erfahrung (Erfahrung-Bewusstsein)‘.