Martha Nussbaum (geb. 1947) ist eine der bekanntesten und profiliertesten Ethiker:innen der Gegenwart. Sie lehrt an der Universität von Chicago und versucht, im Rückgriff auf die aristotelische Tradition des ‚guten Lebens‘ Antworten zu geben auf die großen moralischen Herausforderungen der Gegenwart. Hierbei zeigt Sie, dass Moral einem glücklichen Leben nicht widerspricht, sondern dessen unverzichtbares Element ist.

„Ich werde jetzt […] einige Grundfähigkeiten beschreiben, die jede Gesellschaft für ihre Bürger anstreben sollte und die bei Messungen der Lebensqualität eine Rolle spielen sollten. […]

  • Die Fähigkeit, ein menschliches Leben von normaler Länge zu leben, nicht vorzeitig zu sterben oder zu sterben, bevor das Leben so reduziert ist, dass es nicht mehr lebenswert ist.
  • Die Fähigkeit, sich guter Gesundheit zu erfreuen, sich angemessen zu ernähren, eine angemessene Unterkunft und Möglichkeiten zu sexueller Befriedigung zu haben, sich in Fragen der Reproduktion frei entscheiden und sich von einem Ort zu einem anderen bewegen zu können.
  • Die Fähigkeit, unnötige Schmerzen zu vermeiden und Freudvolle Erlebnisse zu haben.
  • Die Fähigkeit, eine Vorstellung des Guten zu entwickeln und kritische Überlegungen zur eigenen Lebensplanung anzustellen. Dies schließt heutzutage die Fähigkeit ein, einer beruflichen Tätigkeit außer Haus nachzugehen und am politischen Leben teilzunehmen.
  • Die Fähigkeit, mit anderen und für andere zu leben, andere Menschen zu verstehen und Anteil an ihrem leben zu nehmen, verschiedene soziale Kontakte zu pflegen.
  • Die Fähigkeit, in Verbundenheit mit Tieren, Pflanzen und der ganzen Natur zu leben und sie pfleglich zu behandeln.
  • Die Fähigkeit, zu lachen, zu spielen, sich an erholsamen Tätigkeiten zu erfreuen.
  • Die Fähigkeit, sein eigenes Leben und nicht das eines anderen zu leben. Das bedeutet, gewisse Garantien zu haben, dass keine Eingriffe in besonders persönlichkeitsbestimmende Entscheidungen wie Heiraten, Gebären, sexuelle Präferenzen, Sprache und Arbeit stattfinden. […]
  • Ich meine, dass ein Leben, dem eine dieser Fähigkeiten fehlt, kein gutes menschliches Leben ist“ ( C. Nussbaum, Gerechtigkeit oder Das gute Leben, S. 200ff).