Blaues:

Blaues quillt über: „Österreicher verdienen Fairness.“ Wie bedauerlich: Ich bin Deutscher. Und andere Frauen (Österreicherinnen). Oder hat man nur vergessen, mich (und die Frauen) zu erwähnen? Dass also gälte: Westeuropäer/innen verdienen Fairness? Oder vielleicht: West- und Osteuropäer/innen verdienen Fairness? Oder gar überhaupt: Menschen verdienen Fairness?
Was also meint der Bläuling? Und warum sagt er es nicht (nämlich deutlich und klar, also um verstanden zu werden und verstanden werden zu können)? „Nur Österreicher verdienen Fairness“ (ich also nicht)! Oder: „Nicht nur, aber auch Österreicher verdienen Fairness“ (ich also auch)! Oder: „Nicht nur, aber auch Österreicherinnen verdienen Fairness“ (dem ich mich natürlich anschließe)!
Blaues quillt über – so wie es Mülleimer zu tun pflegen. Von Überflüssigem und sonstigem Abfall…

Blaues verkrampft: „Die Islamisierung gehört gestoppt“. Damit widerspricht Blaues dem „Der Islam gehört zu Österreich“. Nun ist Blaues gewiss unverdächtig (und unfair wäre es, Blauem solches vorzuwerfen), je von Schulungen schlüssigen Argumentierens gesegnet, je also des kohärenten und konsistenten Sprachgebrauchs willens und fähig gewesen zu sein, gar die Regeln der Logik beherrscht zu haben. Dass also ‚Blaues‘ kein Widerspruch zu ‚Dummes‘ ist (oder sein kann). Aber auch nicht zu ‚Schlaues‘. Und das ‚Fenster‘ kein Widerspruch zu ‚Eckiges‘ ist (oder sein kann). Usw. Einander widersprechen kann nur das, was einander entspricht: ‚Blaues‘ kann ‚Schwarzem‘ widersprechen und ‚Rotem‘ und ‚Grünem‘. Und auch kann ‚Fenster‘ der ‚Tür‘ widersprechen. Usw. Unverkrampft müsste Blaues also widersprechen: „Der Islam gehört nicht zu Österreich“. Meint Blaues also solches? Niemals. Denn das wäre gegen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit. Oder meint Blaues solches vielleicht doch?
Was also meint der Bläuling? Und warum sagt er es nicht (nämlich deutlich und klar, also um verstanden zu werden und verstanden werden zu können)? „Schluss mit dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit“ (also erst die Religionsfreiheit der anderen, der „Fremden“ hinweggeräumt, dann überhaupt alle Religionen)! Und wenn die Religionen hinfort müssen, dann wohl auch alles andere Geistige und Intellektuelle, alles „Nicht-Nationale“. Dies pflegten und pflegen Nationalismen aller Zeiten und Orte stets zu tun und als Erstes. Denn Bildung ist der natürliche Feind polit-psychopathologischer Hirn- und Seelenverstimmung. Die Vermutung sei erlaubt: Hat sich Klein-Bläuling einst gesehnt, gehört und verstanden zu werden – aber wird ihm alles geklungen haben wie Türkisch oder gar Arabisch, wie Ganz-Fremdes und Ganz-nicht-von-mir-Ersehntes? Hat er nur Bahnhof verstehen können? Armes kleines Klein-Bläuling. Aber jetzt kannst du es der Welt ja zeigen, sie (und natürlich nicht EUCH) deinen Frust und Zorn spüren lassen, deinen „Schrei nach Liebe“ (schon damals von den ‚Ärzten‘). Armes kleines Klein-Bläuling: Mama (oder war es doch der Papa?) hat dir aber übel mitgespielt…
Blaues verkrampft – so wie die Hirn- und Seelenwindungen derer, denen das Denken nicht gelingen mag, weil ihnen ihrer Gefühle Not im Wege steht.

 

Türkises:

Türkis ist das neue Schwarz. Oder das alte Blau. Und das gegenwärtige Blau. Nur eben: Türkis. Smart, haar-glatt und körper-aalig. Schwer fällt es, weitere Unterschiede auszumachen. Rechts-gedrehter Stimmenfang. Das ging im Kleid des Bürgerlichen schon immer gut und erfolgreich (wenn auch stets verbunden mit Barbarentum). Armes Österreich (heute jedoch ganz ohne überrannt zu werden, überrannt zu werden wie einst aus dem Norden. Oder aus dem Süd-Ost-Westen). Kein Opfer mehr. Täter.

 

Demokratisches:

Der Mensch ist Selbstzweck. Denn er hat „nicht bloß einen relativen Wert, d.i. einen Preis, sondern einen inneren Wert, d.i. Würde“ (I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 77).

Aufklärung, du Mutter der Demokratie. Du vergessene Mutter. Du, derer man sich zu schämen scheint (und du, die sich solchen Farben(ver)spielens schämt). Aufklärung – nur im Mund derer geführt und nicht verstanden von denen, die den Mund aufzureißen pflegen (freilich nicht in Erstaunen über Verstandenes, sondern im Widerhall ihres Geistes enger Grenzen: Wo nichts ist, dann wenigstens laut!).

Aufklärung, du Mutter der Demokratie: Alles Erkennen und alle Politik und Moral soll folgen dem Leitstern und den Forderungen der Gesetze, die sich aus der Selbstbestimmung, die sich aus der Gesetzgebung der (reinen!) Vernunft ergeben. Weshalb das Vernunftwesen ‚Mensch‘ (und eben nicht der/die Österreicher/in, nicht der/die Westeuropäerin, nicht der/die West- und Osteuropäerin) würdig, alle Menschen also miteinander verbunden und gleichen Rechtes sind.

Aufklärung, du Mutter der Demokratie, erinnere uns an das, was du einst zu sagen und zu fordern wagtest:[1] „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 66f).

Mein Österreich – erinnere dich (auch heute) an sie, deine Mutter. Erinnere dich (auch heute) an sie, die Aufklärung.